Die Männer von Bravo Two Zero
mich sehr schwach.«
»Wenn du uns hilfst, ist es durchaus möglich, daß wir zu einer Art Verständigung gelangen – aber du kannst nicht erwarten, daß ich etwas für dich tue, ohne etwas dafür zu bekommen. Verstehst du das, Andy?«
»Ja, das verstehe ich, aber ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen. Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Wir sind bloß Soldaten, wir hatten lediglich Befehl, an Bord eines Hubschraubers zu gehen und mitzufliegen.
Wir wissen nie, was wir machen sollen. Die Armee
behandelt uns wie den letzten Dreck.«
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»Ich bin sicher, du wirst feststellen, daß wir Menschen besser behandeln. Ich bin bereit, dir und deinem Freund Essen, Wasser und ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, Andy, doch es muß ein fairer Handel sein. Wir müssen die Namen der anderen Leute erfahren, damit wir das Rote Kreuz informieren können, daß sie im Irak sind.«
Selbstverständlich war das kompletter Schwachsinn, doch ich mußte mich so entgegenkommend wie möglich zeigen, ohne wirklich irgend etwas preiszugeben. Ich wollte, daß der liebe Opa die Befragung weiterführte. Er war höflich, freundlich, gütig, sanft, besorgt. Ich war nicht erpicht auf die harte Tour, die mir über kurz oder lang sowieso nicht erspart bleiben würde.
»Der einzige Name, den ich kenne, ist der von meinem Freund Dinger«, sagte ich. Er hatte sicherlich Namen, Nummer, Rang und Geburtsdatum genannt, wie es die
Genfer Konvention vorschreibt. Ich nannte seinen
vollständigen Namen. »Ich habe keine Ahnung, wer sonst noch hier ist und wer nicht. Es war sehr dunkel, alle liefen wild durcheinander, es war das reinste Chaos. Von Dinger weiß ich auch nur, weil ich ihn gesehen habe.«
Irgendwie spürte ich, daß unsere Story langsam
bröckelte. Sie bekam allmählich Risse, wie jede
Geschichte, die nicht hundertprozentig dicht ist. Es ging jetzt nur doch darum, Zeit zu schinden. Ich hatte keine Ahnung, was sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt dachten; es war das reinste Katz-und-Maus-Spiel. Er stellte eine Frage, und ich gab ihm eine meiner blöden Antworten, und er ging einfach weiter zur nächsten Frage, ohne auch nur in Zweifel zu ziehen, was ich gesagt hatte.
396
»Die Stimme« hatte sicherlich gemerkt, daß ich ihnen einen vom Pferd erzählte, und ich wiederum merkte, daß es nicht das war, was sie hören wollten. Trotzdem
passierte nichts Schlimmes – aber das würde noch
kommen, ganz bestimmt.
Psychisch gesehen ging es mir gut. Die psychische
Verfassung läßt sich mit Drogen beeinflussen. Ich hoffte nur, daß sie nicht so fortschrittlich waren und bei ihren primitiven Verhörmethoden blieben. Mit körperlichen Mißhandlungen kommt der Vernehmende nur bis zu
einem gewissen Punkt; darüber hinaus ist damit nichts Vernünftiges zu erreichen. Deinen körperlichen Zustand können sie daran ermessen, wie oft und wie heftig du verprügelt worden bist. Aber deine psychische
Verfassung können sie nicht mit Sicherheit beurteilen.
Dafür müssen sie wissen, wie wach du noch bist, und das können sie nur an deinen Augen erkennen. Es gibt
Männer, die durchdrehen, wenn der Vernehmende sich über die Größe ihres Schwanzes lustig macht oder sie als homosexuell oder ihre Mutter als Hure bezeichnet. Dann gehen sie an die Decke und verraten dadurch, daß sie doch mehr mitbekommen, als sie vorgeben wollten. Jeder hat irgendeinen schwachen Punkt, und den zu finden ist die Aufgabe des Fragestellers. Von diesem Moment an geht’s erst richtig los.
Wir waren in der Ausbildung darauf vorbereitet
worden, und wir hatten das Glück, daß in unserem
Regiment jeder jeden dauernd ärgert und provoziert. Das tägliche Leben ist voller persönlicher Beleidigungen.
Aber es würde trotzdem ein harter Kampf werden.
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Wenn du physisch und psychisch am Ende bist, hast
du nicht mehr die Kraft, auch nur zu verstehen, was gesagt wird, geschweige denn, darauf zu reagieren. Du kommst mit deiner Nummer nicht durch, falls du auch nur blinzelst, wenn du beim Verhör wegen der Größe deines Schwanzes ausgelacht wirst oder gefragt wirst, in welcher Position deine Frau am liebsten mit dir schläft.
Du mußt unbedingt den Eindruck erwecken, daß du
erschöpft bist, daß du einfach nichts mehr kapierst, daß du alles gesagt hast, was du weißt, und nur noch nach Hause willst. Ein Vorteil für uns war, daß in ihren Augen sogar ein rangälterer Unteroffizier ein Niemand ist. In ihrer Armee spielen nur Offiziere eine Rolle. Angehörige
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