Die Männer von Bravo Two Zero
gemütlich zu Hause sitzen und sich einen Drink genehmigen und Bush in Camp David joggt, und ich sitze hier in der Patsche und weiß überhaupt nicht wieso. Bitte glauben Sie mir – ich möchte nicht hier sein, und ich versuche, Ihnen zu helfen.«
»Nun gut, wir werden dich sehr bald wiedersehen,
Andy«, sagte er. »Du kannst jetzt gehen.«
Die Burschen hinter mir hoben mich hoch und
schleppten mich im Eilschritt weg. Ich kam mit den Füßen nicht mit, und sie schleiften mich den Gang
hinunter, den Weg entlang, die Stufe hinunter, über die Pflastersteine und zurück in meine Zelle. Sie bugsierten mich wieder in die Ecke, in die gleiche qualvolle
Sitzposition.
Als die Tür hinter mir zuschlug, atmete ich erleichtert 401
aus. Ich versuchte, wieder zu mir zu finden.
Zwei Minuten später bollerte und krachte die Tür
erneut, und ein Wachmann kam herein. Er nahm mir die Augenbinde ab, aber ich sah nicht auf. Ich wollte auf keinen Fall wieder geschlagen werden. Er ging wieder hinaus, und ich konnte meine Umgebung zum erstenmal sehen.
Der Boden war aus Beton – sehr schlechter, bröseliger Beton, voller Dellen und sehr feucht. Links von der Tür war ein Fenster, eine kleine, schmale, lange Öffnung. Ich sah zu ihr hoch, und mein Blick blieb an einem großen Haken in der Mitte der Decke haften. Ich sah mich schon da oben hängen.
Die Wände waren einmal cremefarben gewesen, aber
jetzt waren sie mit Schmutz bedeckt. In die
abbröckelnden Wandflächen waren arabische
Schriftzeichen hineingekratzt. Es gab auch ein paar Hakenkreuze, und an einer Wand war in Rückansicht, etwa so groß wie ein DIN-A4-Blatt, eine Taube gemalt, die zum Himmel hinaufflog. Die Beine des Vogels waren mit Ketten zusammengebunden, und darunter, zwischen den arabischen Zeichen, stand auf englisch: »Meiner einzigen Sehnsucht, meinem kleinen Sohn Joseph, werde ich ihn je wiedersehen?« Es war ein wunderschönes Bild.
Ich fragte mich, wer es gemalt hatte und was mit ihm geschehen war. War es das letzte, was er getan hatte, bevor man ihn umbrachte? War das das letzte, was jeder tat, der hier gelandet war?
An zwei Stellen waren riesige Blutflecke an den
Wänden, pro Fleck ein bis anderthalb Liter Blut, das auf 402
dem Putz getrocknet war. Neben einem der Flecke war ein Stück Pappe. Ich starrte eine Weile darauf, dann rutschte ich auf dem Hintern hinüber, bis ich so nah war, daß ich lesen konnte, was draufstand. Es stammte von einer Kartonverpackung für ein Kraftgetränk. Die
Verpackung pries ihren Inhalt als wunderbares Getränk an, das Vitalität und Energie verlieh. Ich las weiter, und plötzlich bekam ich einen Schock, bei dem sich mir das Herz zusammenkrampfte. Das Produkt kam aus
Brentford in Middlesex, wo Kates Mutter herstammte.
Ich kannte die Stadt gut; ich wußte sogar, wo die Fabrik war. Kate wohnte noch immer dort. Der Gedanke
deprimierte mich total. Wie lange würde ich wohl hier bleiben? Bis zum Ende des Krieges? Bis sie mit mir fertig waren? Würde ich einfach als ein namenloses Opfer von Kriegsgreueln in die Statistik eingehen?
Um mich vor solchen Gedanken zu schützen,
beschäftigte ich mich wieder mit meiner Situation und dachte mir mögliche Szenarien aus. Hatten noch mehr von uns überlebt? Hatten die Iraker uns mit dem Gefecht an der MSR in Verbindung gebracht? Hatten sie bereits irgendwelche Leute, die das bestätigten, und spielten sie nur mit uns? Nein, das einzige, was ich mit Sicherheit wußte, war, daß sie mich und Dinger hatten.
Etwa eine Viertelstunde später hörte ich gedämpfte Stimmen im Gang. Mein Herz hämmerte. Sie gingen
weiter, und ich atmete erleichtert auf. Ich hörte, wie eine andere Tür geöffnet wurde. Wahrscheinlich wurde
Dinger zum Verhör geführt.
Eine Stunde später hörte ich, wie seine Tür zugeknallt 403
und verriegelt wurde. Die Dämmerung setzte ein. Es mußte draußen im Gang sehr dunkel geworden sein, weil die Schatten nicht mehr unter der Tür hindurchfielen. Ich lauschte auf die Stimmen, die sich in Richtung Tür am Ende des Ganges entfernten, und dann wurde auch die verriegelt. Bedeutete das, daß wir die Nacht hier
verbringen würden? Ich hoffte es. Ich brauchte dringend etwas Schlaf.
Mit Einsetzen der Dunkelheit verspürte ich ein
seltsames Gefühl der Sicherheit, weil ich nichts sehen konnte, doch gleichzeitig kroch die Furcht in mir hoch.
Mir war kalt, und ich hatte Zeit zum Nachdenken. Ich versuchte, auf dem Bauch zu schlafen, mit dem Kopf auf dem Boden,
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