Die Männer von Bravo Two Zero
mußte um acht Uhr
abends zurück sein. Ich hatte also an dem Kirchenbesuch alles in allem keinen großen Gefallen gefunden und nie besonders darauf geachtet, was da ablief. Jetzt versuchte ich verzweifelt, mich an jede Einzelheit zu erinnern, um 420
wie der frommste Moralapostel aller Zeiten zu klingen.
»Wann fastet ihr? Wann fasten die Christen?«
Fasteten wir? Ich wußte es einfach nicht.
»Wir fasten nicht.«
Sein Ton veränderte sich. »Du lügst uns an, Andy. Du lügst! Wir wissen, daß die Christen fasten.«
Er erzählte mir von der Fastenzeit. Man lernt nie aus.
Ich hatte nicht gewußt, daß Katholiken fasten.
»Ich bin Protestant«, sagte ich. »Da ist das anders.«
Er schien sich zu beruhigen.
»Erzähl mir etwas über die Feiertage. Welche Speisen eßt ihr? Welche Speisen eßt ihr nicht?«
Ich zermartete mir das Hirn, um mich zu erinnern, was am Erntedankfest und zu Ostern gemacht wurde.
»Protestanten essen alle Speisen. Wir feiern im Grunde die Tatsache, daß wir alles essen können, was und wann wir wollen. Es ist eine sehr liberale Religion.«
»Ihr dürft also auch Schweinefleisch essen?«
»Ja.«
»Hör mal, Andy, sag uns einfach, daß du Jude bist, mehr wollen wir gar nicht wissen. Du weißt, wenn du uns belügst, wirst du bestraft.«
Ein anderer Bursche halb rechts von mir schaltete sich ein, auch er sprach sehr gut Englisch. Er sagte mir, er sei in Sandhurst gewesen.
»Wann ist der Tag des heiligen Georg?«
Ich hatte keinen Schimmer.
»Wann ist der Tag des heiligen Patrick?«
Dieselbe Antwort.
»Wie sind bei euch die Beerdigungen? Wie trauert ihr?
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Wie lange?«
So ging es zwei Stunden weiter, und ich wand mich
und versuchte, mich rauszureden.
Schließlich sagte »die Stimme«: »Was würdest du
denken, Andy, wenn ich dir sagen würde, daß wir wissen, daß ihr beide Juden seid und es beweisen können?«
»Sie irren sich. Ich bin kein Jude.«
»Schön. Erzähl mir, was du über das Judentum weißt.«
»Es gibt orthodoxe Juden mit langem Haar, und sie
essen kein Schweinefleisch. Mehr nicht. Wir haben keine Verbindung zur jüdischen Gemeinde.«
»Hattest du schon mal eine jüdische Freundin? Kennst du in England irgendwelche Juden? Sag mir, wie sie heißen und wo sie wohnen. Woran erkennst du, daß sie Juden sind?«
»Ich hatte nie was mit jüdischen Frauen zu tun.«
»Weshalb nicht, Andy, bist du homosexuell?«
»Nein, ich bin nicht homosexuell, aber in England
haben die verschiedenen Religionen und Rassen nur
wenig Kontakt untereinander. Die jüdische Gemeinde bleibt unter sich, und es ergeben sich nur selten engere Kontakte, weil sie sehr zurückgezogen lebt.«
»Wie groß ist die jüdische Gemeinde in England?«
»Ich habe keine Ahnung. Wir haben wenig
Verbindung zu ihr.«
Die Fragen nahmen kein Ende, und die Antworten, die ich geben konnte, wurden immer dürftiger. Ich steckte ziemlich in der Klemme. Dann hatte ich plötzlich eine Idee. Wieso war ich da nicht schon früher drauf
gekommen?
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»Ich kann beweisen, daß ich kein Jude bin.«
»Wie kannst du das beweisen?«
»Weil ich eine Vorhaut habe.«
»Was? Was ist eine Vorhaut?«
Sie redeten wild auf arabisch durcheinander, und ich hörte Papier rascheln. Schlugen sie in einem Wörterbuch nach?
»Ich kann es Ihnen zeigen«, sagte ich hilfsbereit.
»Wenn Sie mir die Handschellen abnehmen, zeige ich Ihnen, was eine Vorhaut ist.«
Sie begriffen noch immer nicht, wovon ich redete.
»Wie schreibt man Vorhaut?«
Ich konnte hören, wie der Bursche mitschrieb. Je ein Soldat links und rechts von mir hielten mich an der Schulter fest, während irgend jemand eine Handschelle abnahm.
»Was hast du vor, Andy? Du mußt uns zuerst sagen,
was du vorhast.«
»Nun, ich werde mir die Hose aufmachen und meinen
Penis rausholen, und ich werde Ihnen zeigen, daß ich eine Vorhaut habe.«
Ich stand auf und holte meinen Schwanz raus. Ich
zupfte an der Vorhaut und zog sie so lang wie möglich.
»Sehen Sie, ich habe eine Vorhaut! Juden werden
beschnitten, das gehört zu ihrer Religion. Sie lassen sich die Vorhaut entfernen.«
Brüllendes Gelächter. Sie kriegten sich gar nicht
wieder ein. Als ich mir die Hose wieder zumachte, stieß man mich auf den Stuhl zurück und legte mir wieder die Handschellen an.
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Sie lachten noch immer über die Sache mit der
Vorhaut. Sie brabbelten auf arabisch, wobei ab und zu das englische Wort für »Vorhaut« fiel.
»Möchtest du etwas zu essen, Andy?«
»Ja, vielen
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