Die Männer von Bravo Two Zero
auskennen, aber was zählt, ist die Praxis.
Solche Fragen waren ohnehin nebensächlich; die
Informationen hätten sie sich aus jedem Militärlexikon holen können. Ich versuchte, jetzt Zeit zu schinden, was nicht schaden konnte – und ich wurde nicht geschlagen.
Ich saß da und machte wie üblich einen auf verwirrt und demütig. Das einzige Problem war, daß sie das Ganze jetzt ernster angingen und mir vorwarfen, ich würde ihnen die Mitarbeit verweigern. Aber ich hatte bestimmt ehrlich geklungen, denn das war ich gewesen. Ich hatte keinen Schimmer.
»Wie wird die Rampe heruntergelassen?«
»Jemand drückt auf einen Knopf.«
»Wo ist der Knopf?«
»Ich weiß nicht …«
Sie gaben auf, und man brachte mich wieder in die
Zelle. Es war dunkel. Meine Augenbinde war entfernt worden, aber ich trug noch immer die Handschellen. Ich hatte schon lange kein Gefühl mehr in Fingern und
Händen. Das Fleisch an meinen Handgelenken war
mittlerweile so stark geschwollen, daß es die
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Manschetten der Handschellen bedeckte. Meine Hände erinnerten an Ballons.
Ich hörte, wie sie Dinger holten und wieder
zurückbrachten, und dann war ich wieder an der Reihe.
Es war das dritte Verhör innerhalb von schätzungsweise 24 Stunden. Jetzt war es am schlimmsten, denn als sie mich holten, war es stockdunkel.
»Die Stimme« stellte zunächst wieder ein paar Fragen zum Hubschrauber. Dann wollten sie etwas über den
großen Kriegsplan wissen.
»Schwarzkopf und seine Verbündeten – wie sehen ihre Invasionspläne aus?«
»Ich weiß nicht.«
»Werden sie in den Irak einmarschieren?«
»Ich weiß nicht.«
»Wie viele Flugzeuge haben sie?«
»Ich weiß nicht.«
»Wie viele syrische Soldaten bereiten sich auf die Invasion des Iraks von Syrien aus vor?«
»Ich weiß nicht.«
»Hältst du es für wahrscheinlich, daß die Invasion von Syrien aus erfolgen soll?«
»Ich weiß nicht.«
»Wird Israel in den Irak einmarschieren?«
»Ich weiß nicht.«
»Wie viele britische Soldaten sind hier?«
»Das weiß ich. Ich habe es in der Zeitung gelesen.
Vierzig- bis fünfzigtausend, glaube ich. Aber so genau habe ich es mir nicht gemerkt, leider.«
»Wie viele Panzer stehen für den Einmarsch in Kuwait 428
und in den Irak bereit?«
»Ich weiß nicht.«
»Flugzeuge?«
»Ich weiß nicht.«
»Ist Bush klar, daß er unsere Frauen und Kinder
tötet?«
Das Ganze war ziemlich seltsam, aber wunderbar:
Zumindest schlugen sie mich nicht und hielten mir nicht die Verluste vor, die sie während der Gefechte mit unserem Trupp erlitten hatten.
Wieder gab es viele Pausen, und ständig bekam ich zu hören: »Andy, du hilfst uns nicht. Du mußt wissen, wie viele Flugzeuge hier sind.«
Ich war hundemüde. Ich hatte kaum schlafen können, und ich war hungrig und durstig. Ich lechzte nach etwas zu trinken.
Bei Tagesanbruch traten die Wachen mit dem üblichen beängstigenden Getöse die Tür auf und brachten mir einen Krug Wasser. Es war eine eklige Brühe, die aussah, als käme sie aus der Kanalisation, aber es störte mich nicht sonderlich. Es war naß. Und selbst wenn ich davon krank wurde, ich tat etwas gegen das Austrocknen – falls es mir nicht wieder hochkam.
Sie wollten den Krug wieder mitnehmen, deshalb
sollte ich alles in einem Zug austrinken. Sie nahmen mir zum erstenmal seit dem ersten Verhör die Augenbinde und die Handschellen ab und standen über mir, während ich auf dem Boden saß und den Krug mit beiden Händen umfaßte.
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Ich trank einen Schluck. Meine abgebrochenen Zähne schmerzten ungeheuer, als das kalte Wasser auf die Stummel traf. Ich blickte an den Beinen der Wachen vorbei hinaus auf den Gang und sah Stan. Stan war über einsneunzig, und er wurde von Männern geschleppt, die ihm gerade mal bis zu den Achseln reichten. Sein Haar einschließlich des Bartes war dunkelrot und verfilzt. An einer Seite seines Schädels klaffte eine große,
feuchtschimmernde Platzwunde. An seiner Hose klebte eine Kruste aus Blut, Dreck und Kot. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte und wimmerte vor sich hin. Er war völlig hinüber. Er humpelte und ging
vornübergebeugt und übertrieb ganz bestimmt nicht. Bei seinem Anblick fühlte ich mich, als käme ich gerade von einer Kur. Es war das erste Mal, daß ich ihn sah, seit wir versucht hatten, die Jets mit dem TACBE anzufunken.
Ich erinnerte mich an die Nacht, in der Dinger und ich gemeint hatten, daß die Wachmänner jemandem
befahlen, sich hinzustellen. »Steh, böser
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