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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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Hälfte der Decke zur Isolierung unter uns, kuschelten uns ein und wärmten uns gegenseitig.

    Während der Nacht hörten wir die Wachen kommen und gehen und Türen knallen. Jedesmal hatte ich Angst, sie kämen zu uns, doch sie gingen immer vorbei.
    Einmal hörten wir, wie irgendwo eine Tür aufgetreten wurde, dann das gedämpfte Schreien und Rufen und
    Stöhnen und Wimmern von jemandem, der
    zusammengeschlagen wurde. Du strengst dein Gehör an, doch du bekommst nur Bruchstücke mit. So
    mitanzuhören, wie jemand Qualen erleidet, ist
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    schrecklich. Du machst dir keine großen Gedanken
    darüber, wer derjenige ist. Du weißt es nicht, also ist es dir egal. Aber es ist ungeheuer demoralisierend, weil du so schutzlos bist und weißt, daß du als nächster dran sein könntest.
    Wir hörten: »Frecher Junge. Steh! Böser Junge. Böser Junge.« Dann etwas, das so klang, als ob ein Teller heftig auf den Boden geschleudert wurde und auf den Beton schepperte.
    Hatten sie vielleicht »Stan« gesagt? Wir versuchten angestrengt, noch mehr zu erlauschen, aber das Lärmen hörte auf. Zumindest wußten wir, daß noch jemand unser Schicksal teilte, auch wenn wir nicht wußten, ob es einer von uns war. Doch wer immer es auch war, er konnte eine Gefahr darstellen. Dinger und ich waren
    einigermaßen zufrieden, daß unsere Geschichten
    zusammenpaßten; jetzt kam noch jemand ins Spiel,
    jemand, mit dem wir nicht sprechen konnten, und das bedeutete, daß wir jeden Moment den Boden unter den Füßen verlieren konnten. Ich spürte, wie sich meine Freude in Luft auflöste. Mein einziger Trost war, daß Dinger und ich immer noch zusammen waren.
    Plötzlich, als wäre es speziell zu meiner Beruhigung geschickt worden, hörte ich das tröstliche Geräusch von Bombern etwa zwei Kilometer entfernt am Himmel.
    Augenblicklich keimte Hoffnung in mir auf. Wenn wir getroffen wurden, ergab sich vielleicht die Chance zu fliehen.

    Wir blieben den Rest der Nacht zusammen. Jedesmal, 418
    wenn wir Türen knallen hörten, dachten wir, sie kämen, um uns zu trennen, und verabschiedeten uns. Schließlich, irgendwann am Morgen, wurde unsere Tür aufgetreten.
    Man legte mir Handschellen an, verband mir die Augen und brachte mich weg.
    Ich wußte, es ging wieder zum Verhör; ich kannte den Weg bereits. Zur Tür hinaus, nach rechts, den Gang hoch, nach links, über das Kopfsteinpflaster, die Stufe hoch, den Weg entlang, an den Büschen vorbei, in einen Raum.
    Sie stießen mich auf einen Stuhl und hielten mich fest.
    »Guten Morgen, Andy«, sagte »die Stimme«. »Wie
    geht es dir heute morgen?«
    »Gut, vielen Dank«, sagte ich. »Danke für die Decke.
    Es ist nachts sehr kalt.«
    »Ja, es ist sehr kalt. Wie du siehst, Andy, kümmern wir uns um dich. Wir kümmern uns um Leute, die uns helfen.
    Und du wirst uns doch helfen, Andy, nicht wahr?«
    »Ja, wie ich schon gesagt habe, ich helfe, so gut ich kann.«
    »Es gibt nur noch ein paar Fragen, die wir heute
    morgen klären müssen, Andy. Weißt du, wir sind nicht absolut überzeugt, daß du kein Jude bist. Wir brauchen Beweise. Sag uns, wenn du Jude bist, damit ersparst du dir viele Schmerzen und Unannehmlichkeiten. Welcher Religion gehörst du an?«
    »Ich bin in der anglikanischen Kirche.«
    »Was ist die anglikanische Kirche?«
    »Christlich.«
    »Zu wem betest du?«
    »Ich bete zu Gott.«
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    »Ich verstehe. Und wer ist Jesus?«
    Ich erklärte es.
    »Wer ist Maria?«
    Ich erklärte es.
    »Andy, weißt du, daß wir denselben Gott anbeten, du und ich? Ich bin Muslim, und ich bete zu demselben Gott wie du.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Bist du religiös, Andy?«
    »Ja, ich bin religiös. Ich nehme meine Religion ernst.«
    »Sag mir, wie man in der christlichen Welt betet.«
    »Wir können im Knien beten, wir können im Stehen
    beten, je nachdem, es spielt keine Rolle. Es ist eine ganz persönliche Sache.«
    Als ich Rekrut in Shorncliffe war, wurde an jedem
    vierten Sonntag in unserem Bataillon ein Gottesdienst abgehalten. Wir mußten unsere Ausgehuniform und die besten Stiefel anziehen und marschierten schneidig vom Lager zur Garnisonskirche. Es war Pflicht, denn als junger Rekrut bekommt man nur einen Tag in der Woche frei, und zwar am Sonntag – und auch nur dann, wenn man beim Geländelauf am Freitagmorgen nicht
    langsamer war als der Zugführer. Andernfalls mußte man am Sonntag noch einmal laufen. Selbst an deinem freien Tag konntest du nicht nach Hause, denn man durfte nicht vor neun Uhr morgens raus und

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