Die Männer von Bravo Two Zero
wir zwei Feinde – die Zeit und die
körperliche Verfassung der beiden Verletzten. Wir
anderen spürten inzwischen auch die Wirkungen dieses Nachtmarsches. Meine Füße und Beine schmerzten, und ich rief mir immer wieder in Erinnerung, daß wir für so was ja schließlich bezahlt wurden.
Über uns lag eine geschlossene Wolkendecke. Es war pechschwarz. Ich versuchte eine Orientierungspeilung, während die anderen mir den Rücken und die Flanken deckten. Chris hatte Probleme mit seinem
Nachtsichtgerät, weil absolut kein Licht herrschte. Das machte uns nun ebenso zu schaffen wie die beiden
Verletzten.
Der Wind schnitt eisig in die ungeschützten
Körperpartien. Ich hielt meine Arme fest an den Körper gepreßt, um mich warm zu halten; den Kopf gesenkt, die Schultern nach vorn gebeugt. Wenn ich den Kopf
bewegen mußte, drehte ich immer den ganzen Körper, 176
denn ich wollte nicht den leisesten Windzug am Hals.
Dann hörten wir aus Richtung Norden Flugzeuge. Ich konnte wegen der Wolkendecke absolut nichts sehen, aber eine Entscheidung mußte ich dennoch treffen. Sollte ich den TACBE einsetzen, um dann vielleicht
festzustellen, daß es eine irakische Maschine war?
»Yeah, verflucht«, sagte Mark, der anscheinend meine Gedanken erraten hatte. »Versuchen wir’s?«
Ich legte Vince eine Hand auf die Schulter: »Wir
halten an und versuchend mit dem TACBE.«
Er nickte und sagte: »Jawoll, okay, ja.«
Ich versuchte, eine meiner Gürteltaschen zu öffnen.
Das war leichter gesagt als getan. Meine Hände waren starr vor Kälte und so taub, daß ich die Finger kaum biegen konnte. Mark fummelte nun ebenfalls daran
herum, aber auch er konnte seine Finger nicht genügend krümmen, um die Klappe zu öffnen. Schließlich hatte ich irgendwie den TACBE in der Hand. Die letzten beiden Jets flogen gerade über uns hinweg.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Bravo Two Zero. Wir sind ein Bodentrupp und sitzen in der Scheiße.
Over.«
Nichts. Ich versuchte es noch einmal. Und noch
einmal.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Bravo Two Zero. Wir sind ein Bodentrupp und sitzen in der Scheiße.
Wir haben eine Positionsmeldung. Over.«
Auch wenn nichts anderes dabei rauskam, als
jemanden über unsere Position zu unterrichten, wäre es schon gut. Mark holte den Magellan heraus und drückte 177
auf den Knopf, um Längen- und Breitengrad zu
bestimmen.
In diesem Augenblick hörte ich eine wunderbare
amerikanische Stimme, und plötzlich wurde mir klar, daß diese Jets von der Türkei aus Angriffe auf Bagdad
unternahmen.
»Wiederholen Bravo Two Zero, Bravo Two Zero.
Signal sehr schwach. Wiederholen.«
»Dreh zurück«, sagte ich. »Dreh nach Norden. Over.«
Keine Antwort.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Over.«
Keine Antwort.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Over.«
Nichts.
Sie waren verschwunden. Sie würden nicht umkehren.
Scheißkerle!
Fünf Minuten später wurde der Horizont von hellen
Blitzen und Leuchtspurraketen erhellt. Die Jets
bombardierten offensichtlich ein Ziel in der Nähe von Bagdad. Ihre Flüge sind bis auf die letzte Sekunde genau getimt. Sie hätten nicht unseretwegen zurückkehren können, auch wenn sie gewollt hätten. Immerhin hatte einer unser Rufzeichen wiederholt. Vermutlich würde das seinen Weg durch das System machen, und die
Einsatzleitung würde erfahren, daß wir immer noch
unterwegs waren, aber in der Scheiße steckten –
zumindest der eine mit dem TACBE.
Alles war innerhalb von 20, 30 Sekunden vorbei. Ich hockte mich gegen den Wind, während ich das TACBE
wieder in der Tasche verstaute. Dann sah ich Legs an, der 178
mit den Achseln zuckte. Er hatte recht. Immerhin hatten wir Kontakt bekommen.
»Vielleicht fliegen sie die gleiche Strecke zurück, und alles wird gut«, sagte ich zu Bob.
»Hoffen wir’s.«
Ich wandte mich gegen den Wind, um Chris und den
anderen zu sagen, daß wir besser weitergingen.
»Zum Teufel«, flüsterte ich. »Wo sind die anderen?«
Ich hatte Vince gesagt, daß ich das TACBE ausprobieren wollte. Die korrekte Reaktion darauf wäre gewesen, diese Nachricht bis nach vorn weiterzugeben, damit die
anderen ebenfalls wußten, daß wir hinten
stehengeblieben waren. Man sollte immer wissen, wer vor einem ist und wer hinter einem. Jeder einzelne trägt die Verantwortung dafür, darauf zu achten, ob die
anderen noch da sind. Es war also meine Schuld und Vinces, daß sie nicht stehengeblieben waren. Wir hatten beide
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