Die Maetresse des Kaisers
seiner Stange sitzen muss. So war sie ständig auf der Suche nach Ablenkung und Beschäftigung und streifte durch die Gänge und Höfe der Residenz.
Sie roch die Tiere, bevor sie sie sah. Dampfender Mist lag im Hof, und eine Reihe von Stallburschen war damit befasst, den Dung des Elefanten auf eine Karre zu laden. Ganz aufgeregt sah sie die Berge von Heu und Obst und fragte sich, ob ein Koloss wie der Elefant wirklich nur von pflanzlicher Nahrung leben konnte.
»Diese Tiere fressen kein Fleisch«, sagte eine Stimme hinter ihr. Als sie sich umdrehte, blickte sie in die dunklen Augen von Karim an-Nasir. Sie lächelte und begrüßte Friedrichs Freund und Leibarzt auf Arabisch.
»Ihr seid eine erstaunliche Frau, Bianca«, sagte er in seiner Muttersprache. »Und auf jeden Fall eine mit vielen Talenten.«
Sie ging auf seinen scherzhaften Ton ein. »Ich hatte mehr als genug Gelegenheit, die Sprache zu lernen. Zamira, die Favoritin des Sultans, war meine Lehrerin.«
»Was führt Euch zu den Ställen?«, erkundigte er sich und warf einen Blick auf ihre einfache Kleidung.
»Neugier«, antwortete Bianca. »Und außerdem habe ich viel Zeit.«
»Also Langeweile.«
Bianca lachte. »Vielleicht. Es fällt mir schwer, mich ans Nichtstun zu gewöhnen.«
Karim musterte sie nachdenklich. »Nun, es gibt viele Beschäftigungen für eine Frau …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Bianca. »Sticken, sticken und noch mal sticken. Leider bin ich keine Meisterin mit Nadel und Faden. Ach, Karim, wenn ich nur etwas Sinnvolles tun könnte.«
»Was habt Ihr denn zu Hause im Piemont getan?«
Biancas Stimme wurde weich. »Ich hatte einen wunderbaren Garten mit Obstbäumen, Kräuterwiesen und den schönsten Rosen der Welt. Ich bin zur Jagd geritten, und ich hatte meinen Falken.« Sie brach ab, weil sie ihn nicht wissen lassen wollte, wie sehr die Vergangenheit immer noch schmerzte.
Karim, der Bianca zu sehr schätzte, um ihr sein Mitleid zu zeigen, tat, als hätte er ihre sentimentale Erinnerung nicht bemerkt.
»Falken?«, fragte er stattdessen. »Ihr kennt Euch mit Falken aus?«
»Ja«, antwortete sie eifrig. »Natürlich nicht so gut wie mein Falkner Lorenzo …«
Sie sprach nicht weiter, und Karim sah die Wehmut in ihren Augen. Bianca wusste, dass der Kaiser Nachforschungen über Lorenzos Verbleib in Auftrag gegeben hatte, die aber bislang ohne Ergebnis geblieben waren.
»Vielleicht habe ich eine Aufgabe für Euch.«
Bianca drehte ruckartig den Kopf. »Karim, das wäre wunderbar. Welche Aufgabe könnte ich übernehmen?«
»Kommt, ich zeige Euch die Ställe. Und bei der Gelegenheit könnt Ihr mir sagen, ob Ihr Interesse habt.«
Karim ging voraus, und Bianca folgte ihm erwartungsvoll in das große Zelt, das eigens für die feingliedrigen arabischen Pferde errichtet worden war. Bianca sprach beruhigend auf die Tiere ein und ging langsam von einem zum anderen.
»Sie sind wunderschön«, flüsterte sie. »Ich habe noch nie so elegante Pferde gesehen.«
»Sie sind pfeilschnell«, erklärte Karim.
»Wird der Kaiser sie mit nach Europa nehmen?«
»Ganz sicher. Er bewundert diese Rasse.«
»Karim, Ihr kennt den Kaiser schon Euer ganzes Leben lang. Sagt mir, was für ein Mensch ist er?«
Karim lächelte leise. Er hatte Biancas Gefühle für den Kaiser längst bemerkt. Sie war keine Frau, die an einem Fürstenhof die hohe Kunst der Minne gelernt hatte und das Spiel um Begierde und Keuschheit beherrschte. Jegliche Falschheit lag ihr fern. Ihre Empfindungen waren echt, und es gelang ihr nicht, die Kühle zu mimen, wenn sie innerlich loderte. Er fand ihren fehlenden höfischen Schliff erfrischend angenehm, und ihm gefiel ihre direkte Art.
»Der Kaiser ist ein außergewöhnlicher Mensch. Er war sehr früh auf sich allein gestellt. Das hat ihn stark gemacht, aber auch zu der Überzeugung gebracht, nur ganz wenigen Menschen vertrauen zu können.« Bianca schwieg, und Karim fuhr fort: »Bedingt durch seine Stellung hat er viele Feinde. Der Kaiser verlässt sich deshalb gern auf sich selbst. Er hasst Ungehorsam und Untreue, aber seinen Freunden gegenüber ist er großmütig.«
»Es heißt, er liebt die Frauen«, sagte Bianca vorsichtig, denn sie wagte sich auf ein Gebiet, in dem viele Fallen lauern konnten.
»Er ist ein Mann.«
»Liebt er denn eine mehr als alle anderen?«
»Die Kaiserin ist erst seit einem halben Jahr tot.«
»Verzeiht meine dreisten Fragen«, sagte Bianca. »Ich wollte nicht unhöflich sein.«
Karim
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