Die Maetresse des Kaisers
Passau grübelte von Zeit zu Zeit immer noch über die verschlungenen Pfade des Schicksals nach, die ihn mit dem englischen Ritter zusammengeführt und damit erneut auf die Spur der Gräfin gebracht hatten. Obwohl er stets das Gegenteil beteuert hatte, war er kurz davor gewesen, die Suche aufzugeben und nach Europa, vielleicht sogar nach Deutschland zurückzureisen.
Nun war Heinrich kein Mann, der einem Gefühl wie Heimweh in seiner Seele Raum gegeben hätte, doch wenn er ehrlich war, sehnte er sich nach kühleren Regionen. Von den heißen Wüstenstädten Palästinas hatte er mehr als genug gesehen.
Die Hafenstadt Tyrus lag hinter ihnen, als ihnen die Gruppen von Männern auffielen, die den Transport von Baumaterial begleiteten und überwachten. Zum Teil bewaffnet und zu Pferd, zum Teil in Pilgerkleidung und zu Fuß zogen die Männer nach Osten. Der Begleiter des Barons blickte ihn fragend an.
Heinrich von Passau hob die Schultern. »Sieht aus, als würden sie eine Festung bauen. Vielleicht irgendwo im Landesinneren.«
»Sind das Sklaven?«
»Scheint nicht so. Ich kann keine Aufseher entdecken. Vermutlich tun sie es freiwillig. Als Eintritt ins Paradies.«
Der Mann in Schwarz verzog verächtlich die Lippen. »Freiwillig? In dieser mörderischen Hitze? Die sind ja vollkommen irre.«
»Sie hoffen eben auf die Segnungen des Himmels.«
»Ach ja? Mir kommt es so vor, als würden alle jetzt schon in der Hölle braten.«
Heinrich zügelte sein Pferd und sprach einen der ganz in Weiß gekleideten Ritter an.
»Auf ein Wort. Wohin ziehen all diese Männer?«
»Ihr seid Neuankömmlinge?«, fragte der Ritter zurück.
»Vor kurzem in Sidon gelandet.«
»Und steht Ihr auf Seiten des Kaisers?«
Heinrich von Passau wurde ungehalten. »Was geht Euch das an? Ich habe eine einfache Frage gestellt. Ist es so schwer, die zu beantworten.«
»Ihr habt ein feuriges Temperament. Die Männer ziehen nach Montfort, zur Festung des Deutschen Ordens.«
»Ist der Sitz des Ordens nicht in Akkon?«
»Bislang ja. Aber Montfort wird größer, bedeutender und sehr schwer zu erobern sein.« Der Ritter nickte ihnen zum Abschied zu und zog weiter, ebenfalls in östlicher Richtung.
»Die Bedeutung der Orden wächst von Tag zu Tag«, sagte der Mann in Schwarz. »Bald sind alle Pilger Ritter und tragen Schwerter und Streitäxte. Schlechte Zeiten für die Sarazenen.«
»Bislang haben alle ihren Kopf behalten. Seit der Kaiser im Land ist, ist kein Muslim gestorben. Jedenfalls nicht durch die Hand eines christlichen Ritters. Wenn Friedrich so weitermacht, werden wir noch alle Brüder.«
»Ihr verachtet den Kaiser«, befand der Mann in Schwarz.
»Ich hasse ihn. Er nennt sich Deutscher Kaiser und tut nichts für sein Reich. Und sein Sohn, den er zum König eingesetzt hat, ist ein frühreifer Flegel. Reden wir lieber von erfreulicheren Dingen.«
Doch stattdessen schwiegen sie.
Je näher sie Akkon kamen, desto belebter wurden die Straßen. Da beide noch niemals zuvor einen Fuß in das Heilige Land gesetzt hatten, waren sie überrascht von der Größe der Städte, den sauberen Straßen und der Architektur der ehemals arabischen, jetzt christlich genutzten Häuser und Paläste.
Vor Akkon lagerte die Streitmacht Christi in einer Zeltstadt, und verglichen mit den katastrophalen Zuständen in Brindisi herrschte hier eine fast perfekte Ordnung. Ritter aus vielen verschiedenen Ländern waren in Palästina zusammengekommen, und wenn Heinrich von Passau genau hinhörte, konnte er ein geradezu babylonisches Sprachengemisch vernehmen.
Sie entschlossen sich, nicht in die Stadt hineinzureiten, sondern sich ebenfalls einen Lagerplatz außerhalb der Stadttore zu suchen. Für die Verpflegung würde einer von ihnen zwar zu einem der Märkte in Akkon gehen müssen, doch galt es zwischen ihnen als ausgemacht, dass dies nicht die Aufgabe Heinrichs von Passau sein würde. Besser, er hielt sich abseits.
Gegen Abend war es kühler geworden, und sowohl Heinrich als auch sein Begleiter genossen die Rast im Schatten. Später, in der Nacht, würde die Luft empfindlich kalt werden, doch noch herrschte die ideale Temperatur, um nach einem langen Ritt die Beine auszustrecken.
Heinrich von Passau hatte die Augen geschlossen und versuchte seinen Kopf frei zu machen von allen störenden Gedanken, als Reiter in gestrecktem Galopp auf die Zeltstadt zuritten und auch sein Lager streiften.
An einem übersichtlichen Platz vor den Zelten brachten sie ihre dampfenden Pferde
Weitere Kostenlose Bücher