Die Maetresse des Kaisers
Mann erkannte die Melodie und entschied innerhalb eines Wimpernschlags, wie er einerseits seine Anwesenheit kundtun und andererseits die Frau in Angst und Schrecken versetzen könnte – er summte die untere Stimme.
Mit einem Schrei fuhr Emilios Frau herum, doch der Mann war bereits bei ihr und drückte ihr seine Hand auf den Mund.
»Sei still, dann geschieht dir nichts«, befahl er flüsternd.
Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, und er spürte, wie sie in seiner Umklammerung zitterte.
»Es ist ganz einfach«, erklärte er ihr. »Ich stelle dir eine Frage, und du gibst mir die Antwort. Fällt sie zu meiner Zufriedenheit aus, scheiden wir als Freunde. Hast du mich verstanden?«
Die Frau nickte zaghaft, hörte aber nicht auf, vor Angst zu zittern.
»Gut«, sagte der Mann in Schwarz. »Hier kommt die Frage: Wo ist Bianca?«
Er spürte, wie sich sein Opfer versteifte, lockerte seine Umklammerung ein wenig und zog dann seine Hand zurück, um Emilios Frau sprechen zu lassen. Aufgeregt schüttelte sie den Kopf.
»Wo ist Bianca?«, wiederholte er. »Du weißt es doch. Sie war hier.« Als die Frau stumm blieb, packte er sie grob an den Schultern und begann sie zu schütteln. »Wo ist Bianca? Es wird dir leidtun, wenn du nicht sprichst. Glaub mir, ich weiß, wie man Zungen löst.« Er grinste und zog ein Messer aus dem Gürtel.
Die Frau des Tuchmachers wurde bleich wie das Mehl auf ihrer Schürze und sank schlaff in den Armen des Diebs zusammen.
Der Mann fluchte leise und setzte die ohnmächtige Frau auf eine Holzbank an der gegenüberliegenden Wand.
Nach einer Weile huschte die dunkle Gestalt zurück über den Hof und schlich durch die stille Gasse bis zu einem kleinen Gasthof. Dort, wo die Pferde getränkt wurden, wartete Heinrich von Passau, verborgen hinter einer Wand.
»Und?«, fragte der Deutsche den Mann in Schwarz. »Hat sie geredet?«
»Sie hat«, antwortete der Dieb. »Bianca Lancia ist auf dem Weg nach Apulien, die Amme macht einen Abstecher nach Turin.«
»Nach Apulien«, wunderte sich der Ritter. »Ein weiter Weg für eine vornehme Dame.«
»Sie reist als Pilger verkleidet zusammen mit Lorenzo, dem Falkner.«
»Was weißt du sonst noch?«
»Nichts weiter, mein Herr. Glaubt mir, die Frau hatte keine Geheimnisse mehr. Möglich, dass sie nicht alle Einzelheiten der Flucht kannte.«
»Gut. Das, was wir wissen, wird reichen, um dafür zu sorgen, dass die schöne Bianca niemals in Apulien ankommt. Um die Amme kümmern wir uns später.« Heinrich von Passau hing einen Moment seinen Gedanken nach und wandte sich dann erneut an den Dieb. »Denk nach und versetz dich in die Rolle unserer schönen Bianca. Welchen Weg würdest du auf deiner Flucht nach Apulien nehmen?«
Der Mann zögerte nicht lange. »Der schnellste Weg«, sagte er, »ist der Seeweg. Und die meisten Schiffe legen in Venedig ab.«
»Du bist ein kluger Kopf«, lobte Heinrich von Passau. »Und ich denke, du hast recht. Unsere falsche Pilgerin ist auf dem Weg nach Venedig. Wir reiten noch heute. Hat die Frau des Tuchmachers dein Gesicht gesehen?«
»Ja«, sagte der Mann in Schwarz gelassen. »Aber sie wird niemandem davon erzählen.«
»Ganz sicher?«
»Todsicher.«
Heinrich von Passau nickte zufrieden. »Gute Arbeit wird gut bezahlt«, sagte er und reichte dem Dieb einen kleinen, aber gewichtigen Lederbeutel.
B ianca betrachtete unauffällig Lorenzos Profil und musste wehmütig an ihren zurückgelassenen Falken denken. Ihr Bruder hatte ihre fast sentimentale Liebe zu Tieren nie verstehen können. Ein Falke war für ihn ein Raubvogel, der geschickt zu jagen verstand. Und ein Pferd nichts anderes als ein schnelles Mittel der Fortbewegung. Tiere waren von Gott geschaffen, um den Menschen zu dienen – zur Jagd, zum Zeitvertreib oder gegen den Hunger. Manfred würde nie Liebe für ein Tier entwickeln, dachte Bianca und fragte sich, ob ihr Bruder überhaupt einem Lebewesen zärtliche Gefühle entgegenbrachte. Sie schluckte und drängte die Tränen zurück. Jetzt war weder die Zeit noch der Anlass, sich der Trauer über ein Leben hinzugeben, das für immer vorbei war.
Bianca war sich sicher, dass sie ihre Heimat nie wieder sehen würde. Eine Rückkehr ins Piemont war unmöglich, weder ihr Bruder noch Enzios Familie würde ihr jemals vergeben. Ihre Zukunft war ungewiss. Vielleicht war es möglich, dass sie im Kloster bei der Äbtissin Clara von Siena blieb. Allerdings war es nie ihre Absicht gewesen, Nonne zu werden. Und auch wenn
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