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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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sie im Kloster erzogen worden war und die Ehrwürdigen Schwestern, die sie lesen und schreiben gelehrt hatten, liebte und respektierte, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, selbst den Schleier zu nehmen.
    Bianca sah hinaus auf den breiten Strom, der träge zum Adriatischen Meer floss, und zwang sich, ihre Sehnsüchte nach Liebe tief in ihrem Inneren zu verschließen. Trotzig blinzelte sie eine kleine Träne aus ihrem Augenwinkel. Auch wenn sie heute noch keinen Rat wusste, sie würde einen Ausweg finden.
    Sie und Lorenzo waren bis Mantua geritten und dort an Bord eines Lastschiffes gegangen, das den Po stromabwärts fuhr. Bianca dankte im Stillen dem Tuchmacher und seiner Frau, die ihnen ein bisschen Geld gegeben hatten. Sie fragte sich, ob sie, Giovanna und Lorenzo die tapferen Leute in Gefahr gebracht hatten, hoffte aber, dass niemandem ihre Ankunft aufgefallen war. Sie machte sich keine Illusionen darüber, mit welchen Methoden ihr Bruder versuchen würde, sie zu finden. Aber mehr noch als Manfred fürchtete sie die Männer in Enzios Gefolge, allen voran den unheimlichen Heinrich von Passau, den sie zusammen mit Enzio auf dem Festbankett gesehen hatte. Sie schickte ein stummes Gebet zum Himmel und bat den Engel, der ihr immer wieder in ihren Träumen erschien, um Schutz für Emilio und seine Familie.
    Das Schiff war ein bauchiger Kahn ohne Mast und Segel, der vom Ufer aus mit langen Stricken gezogen wurde. Es waren rauhe Kerle, die sich mit dem Lastkahn abmühten. Der Schweiß rann in Strömen über ihre breiten Rücken, und jeder von ihnen arbeitete sich in einer surrenden Wolke von Mücken und Fliegen durch das Uferschilf.
    Das Schiff transportierte Vorräte aller Art – Schinken, Getreide, Honig, Nüsse und Mandeln. Sogar lebende Hühner und mehrere Pferde waren an Bord. Am Ziel angekommen, würde man das Boot zerlegen und sein Holz verkaufen. Es lohnte sich nicht, den Kahn auf dem Fluss gegen die Strömung zurückzuschleppen. Die Kraft der Männer hätte dafür auch nicht ausgereicht. Alle Schiffe wurden grundsätzlich nur in eine Richtung, stromabwärts, gezogen.
    Bianca fragte sich, wer all diese zum Teil kostspieligen Lebensmittel geordert haben könnte, wagte es aber nicht, einen der Männer von der Besatzung des Schiffes zu fragen. Bislang hatte ihr Pilgergewand sie geschützt. Ihr langes Haar hatte sie geschickt zurückgebunden und unter der Haube ihres Umhangs verborgen. Niemand an Bord durfte auch nur ahnen, dass sie eine Frau war. Sie und Lorenzo hatten sich ganz vorne am Bug eine kleine Ecke eingerichtet, in der sie unbehelligt sprechen, essen und schlafen konnten.
    Das Schiff hatte während des ganzen Tages nur einen einzigen Hafen angelaufen. Die flache sattgrüne Landschaft zog langsam an ihnen vorbei, doch Bianca hatte keinen Sinn für ihre Umgebung. Der Fluss war ungeheuer breit, die Ebene, durch die er sich nahezu schleifenlos zog, schien ihr unendlich.
    Feuchte Hitze lastete über dem Wasser, ein Klima, das Bianca nicht gewohnt war. Zu Hause im Piemont waren die Winter kalt und die Sommer heiß, aber immer trocken. Die Feuchtigkeit und die Schwüle, die selbst nachts durch keinen Luftzug vertrieben wurden, legten sich wie ein heißes nasses Tuch auf ihren Körper. Das Pilgergewand aus grobem kratzigem Leinen klebte auf ihrer Haut. Der Schweiß sammelte sich unter ihren Achseln und unter ihren Brüsten und löste unerträglichen Juckreiz aus.
    Bianca hatte Durst und sehnte sich nach dem kühlen, klaren Wasser aus den Bächen ihrer Heimat. Die Männer an Bord schöpften Wasser aus dem Fluss und ließen die Krüge so lange stehen, bis sich der Dreck am Boden abgesetzt hatte. Dann tranken sie es in langen Schlucken. Bianca wurde übel, wenn ihr Blick darauf fiel, denn das Wasser war schlammig und voller Unrat. Sie hatte Tierkadaver entdeckt und meinte sogar einen toten Menschen gesehen zu haben. Jeder an Bord verrichtete seine Notdurft in den Fluss, so wie alle Städte, die an seinem Ufer lagen, ihre Kloaken in ihn hineinleiteten. Bianca zwang sich, an dem letzten heißen, brackigen Wasser in ihrem Schlauch nur zu nippen, obwohl der Durst ihre Kehle ausdörrte.
    Nervös hielt sie unablässig Ausschau nach Männern, die sie verfolgen könnten. Bei jeder Gruppe bewaffneter Ritter, die sie am Flussufer sah, vermutete sie Kundschafter ihres Bruders oder des Grafen von Tuszien.
    »Wann werden wir an der Küste sein?«, fragte sie Lorenzo, der in das trübe Wasser starrte.
    »In zwei, spätestens

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