Die Maetresse des Kaisers
gefesselte Beute und stieß sie leicht mit dem Fuß an.
»Meine liebe Gräfin«, begrüßte er Bianca. »Ich bedauere Eure unbequeme Lage, aber wir wissen schließlich beide, dass Ihr sie Euch selbst zuzuschreiben habt. Wie dumm für Euch, dass Euer Ziel kein Geheimnis geblieben ist.«
Bianca schloss voller Entsetzen die Augen. Einer ihrer Freunde und Helfer musste Heinrich von Passau in die Hände gefallen sein. Einem Verhör durch ihn hielt niemand stand, da war sie sich sicher. Sie öffnete die Augen und sah diesem Mann, den sie immer gefürchtet hatte, ins Gesicht. Ihre Hände hielt sie krampfhaft hinter ihrem Rücken verschränkt.
Heinrich von Passau lächelte selbstgefällig. Er hatte nie daran gezweifelt, dass er Bianca finden würde, und sich vielen lustvollen Phantasien hingegeben, wie er die Gräfin Gehorsam lehren würde. Schade, dass sie jetzt fest verzurrt und stumm zu seinen Füßen lag.
Er hatte eine bessere Verwendung für sie, und er war davon überzeugt, dass sie ihm viel Vergnügen bereiten würde. Selbstverständlich nicht freiwillig, aber darauf legte er bei Frauen auch keinen Wert. Im Gegenteil. Die Widerspenstigen, die bis zum Schluss kämpften, waren ihm am liebsten. Doch bis es so weit war, konnte er sein Opfer immerhin ein wenig mit Worten quälen.
»Der bedauernswerte Tuchmacher«, sagte Heinrich mit falschem Mitgefühl. »Er ist jetzt Witwer.«
Bianca schluckte krampfhaft, um nicht zu weinen. Also hatten sie alles, was sie wussten, von Emilios Frau. Und dann hatte sie sterben müssen. Ein lästiger Zeuge, der wertlos geworden war.
Bianca fühlte, wie der Zorn in ihr wuchs. Heinrich war schrecklich. Wenn es seinen Plänen diente, nahm und zerstörte er das Leben unschuldiger Menschen. Nicht einmal ein Raubtier tötet aus Spaß, dachte sie bitter. Es tötet aus Angst oder um selbst zu überleben, aber niemals aus Lust an der Grausamkeit.
Heinrich von Passau wandte sich an den Mann in Schwarz. »Lass uns das Geschäftliche zu Ende bringen. Die Gräfin läuft uns nicht weg.«
Die beiden Männer warfen einen hungrigen Blick auf Bianca, betraten dann aber die Kate.
Bianca hatte Heinrichs letzte Bemerkung schon nicht mehr wahrgenommen, ihre Gedanken rasten. Hatte sie eine Chance, sein Pferd zu erreichen, das träge neben einem Baum stand? Jeder Ritter, und ganz bestimmt ein Mann vom Schlage Heinrichs von Passau, war stets bewaffnet. Sie war sich sicher, dass Heinrich neben seinem Schwert auch mindestens ein Messer mitführte.
So schnell sie konnte, befreite sie ihre Hände und kroch mit Hilfe ihrer Arme über den Boden. Das Pferd scharrte nervös mit den Hufen, lief aber nicht davon. Bianca zog sich auf die Knie, dann auf die Füße und durchsuchte hastig die Satteltasche. Das Tuch über ihrem Mund hinderte sie beim Atmen, und in schnellen Stößen sog sie die Luft durch die Nase ein. Endlich ertasteten ihre Finger ein Messer, und in ihrer Eile schnitt sie sich an der scharfen Klinge. Sie zerrte das Messer aus der Tasche, bückte sich und durchtrennte mit nur einem einzigen Schnitt den Strick um ihre Fußgelenke. Dann riss sie sich das Tuch vom Mund. Das Pferd wieherte aufgeregt, und aufgeschreckt durch dieses Geräusch stürmten beide Männer aus der Kate.
Bianca setzte ihren linken Fuß in den Steigbügel, schrie auf, als der Schmerz erneut durch ihre Hüfte schoss, und war im Sattel, als der Mann in Schwarz auf das Pferd zurannte und einen Zipfel von Biancas Pilgergewand zu fassen bekam. Verzweifelt trat sie nach ihm, kam von ihm los – und galoppierte davon.
Sie hörte das wütende Gebrüll der Männer hinter ihr und schrie ihren Triumph laut in die Nacht. Heinrich würde ihr nicht folgen können, denn der Mann in Schwarz hatte kein Pferd.
Sie musste so schnell wie möglich zurück, um Lorenzo zu suchen. Der Fluss konnte nicht weit sein, schließlich hatte ihr Entführer sie getragen. Als Bianca in sicherer Entfernung von der Kate war, zügelte sie das Pferd und ließ es traben. Auf keinen Fall wollte sie jetzt das Risiko eines Sturzes eingehen. Sie war ihren Verfolgern entkommen, aber die Männer würden nicht aufgeben.
Bianca war klar, dass sie einen kühlen Kopf brauchte, um Lorenzos und ihr eigenes Leben zu retten. Lass Lorenzo nichts geschehen sein, betete sie stumm. Hoffentlich kam sie nicht zu spät.
K arim an-Nasir schlug ungeduldig nach einer Mücke. Er hasste diese lästigen Insekten, die ständig um Menschen und Tiere herumschwirrten. Myriaden von ihnen stiegen
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