Die Maetresse des Kaisers
Kaiserin Isabella. Karim bemitleidete die junge Frau von ganzem Herzen und hielt sie für das bedauernswerteste Mitglied des kaiserlichen Haushalts. Ihr Leben glich dem einer Gefangenen, auch wenn Friedrich seine Frau mit Luxus überschüttete. Karim sah, dass sich Isabella vor ihrem Mann fürchtete, und als Arzt wusste er, dass ihr die ehelichen Pflichten im Bett des Kaisers körperliche Schmerzen bereiteten.
In den letzten Tagen war ihr häufig übel gewesen, und mehrfach hatte sie über Schwindelgefühle geklagt. Karim war sich noch nicht sicher, aber er vermutete eine Schwangerschaft. Er nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit mit dem Kaiser über diese Möglichkeit zu sprechen. Dynastisch wäre die Tatsache, dass Isabella ein Kind erwartete, sicher ein Grund zur Freude, medizinisch aber ein Anlass zur Sorge. Die schmalen Hüften und die zarte Verfassung der kindlichen Kaiserin ließen Karim eine Menge Komplikationen befürchten.
Auf jeden Fall war es richtig, dass Isabella so schnell wie möglich weiter südlich nach Otranto reiste. Dort würde die Luft frischer sein, und niemand müsste sich vor dem Fieber fürchten.
Der Mann, dessen Bett Karim am nächsten stand, begann im Fieberwahn zu phantasieren. Karim eilte zu ihm, erneuerte seinen kühlen, feuchten Umschlag und gab ihm einen Schluck Kräuterwein zu trinken. Wenig später fiel der Mann in einen traumlosen Schlaf, und Karim tupfte ihm sanft den Schweiß von der Stirn. Der Mann würde die nächste Nacht nicht überleben. Karim erkannte die ersten Anzeichen des Todes.
B ianca hatte den Fluss erreicht und sah sich suchend nach dem Schiff um, das sie und Lorenzo bis hierher gebracht hatte. Sie ritt langsam am Ufer entlang, konnte aber nirgendwo den Lastkahn entdecken. Schließlich fand sie die Stelle, an der sie festgemacht hatten, doch das Schiff war verschwunden.
Kein Mensch hielt sich hier auf, der Anleger wartete verlassen auf das erste Morgenlicht. Sie stieg ab und führte das Pferd am Zügel. Viel Zeit hatte sie nicht, denn Heinrich von Passau und der Mann in Schwarz würden ebenfalls zum Ufer zurücklaufen. Jeder Narr, vermutete Bianca, würde sich denken können, dass sie nach Lorenzo suchte.
Es raschelte am Ufer, ein kleines Tier rannte ins Wasser und ließ das Pferd scheuen. Mit wachsender Nervosität ging sie noch einmal die Umgebung des Anlegers ab, ohne Erfolg.
Schweren Herzens beschloss sie, weiterzureiten. Es war sinnlos und gefährlich, länger hier zu bleiben, jeden Moment konnten ihre Verfolger sie entdecken. Bianca hielt sich in der Nähe des Ufers. Sie würde dem Fluss folgen, ein sicheres Versteck suchen und das Ende der Nacht abwarten.
Entweder, überlegte sie, war Lorenzo noch auf dem Kahn – vermutlich hatte ihn der Mann in Schwarz niedergeschlagen –, oder … Sie weigerte sich, den schrecklichen Gedanken, dass der Mann ihren Gefährten getötet haben könnte, auch nur im Ansatz weiterzuverfolgen. Lorenzo musste leben. Und sie musste ihn finden.
Der Weg wurde breiter, und sie ließ das Pferd traben, um Abstand zwischen sich und ihre Verfolger zu bringen. Trotz der Dunkelheit kam sie problemlos voran, entdeckte aber nirgendwo einen Unterschlupf.
Bianca hatte die Haube ihres Umhangs sorgfältig über ihr Haar gezogen. Falls in den Büschen Wegelagerer lauerten, sollten sie den nächtlichen Reiter für einen Pilger in Eile halten und ganz bestimmt nicht für eine schöne Frau.
Schnurgerade hatte der Fluss seinen Weg durch die Ebene gegraben, und das Wasser glitzerte im Mondlicht. Plötzlich sah sie ein Stück weiter vorn ein schwaches Licht. Es tanzte auf den flachen Wellen, und Bianca erkannte, dass es von einem Schiff kam. Sie trieb das Pferd an und näherte sich dem Schiff langsam. Es war der Lastkahn, den sie und Lorenzo in Mantua bestiegen hatten. Gemächlich zog die Besatzung das Schiff mit der Strömung flussabwärts. Bianca beschloss, dem Kahn vorsichtig zu folgen, und betete, dass die Besatzung im nächsten Hafen haltmachen würde.
L orenzo tastete vorsichtig mit den Fingerspitzen über seine schmerzende Schläfe und fühlte an seinem Schädel eine hühnereigroße Beule. Er lehnte sich stöhnend an die Bordwand, stellte aber erleichtert fest, dass er keine blutende Wunde davongetragen hatte. Ein Mann hatte ihn niedergeschlagen, daran erinnerte er sich. Ein Mann in Schwarz.
Er blinzelte, hielt seinen Kopf, der entsetzlich weh tat, und sah sich mühselig um. Er war immer noch auf dem Schiff, aber sie hatten
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