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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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Hafen von Brindisi als Ausgangspunkt seines Kreuzzugs gewählt hat?«
    Der Templer, der erkannte, worauf der Papst hinauswollte, nickte energisch. »Ganz richtig. Der Kaiser hat alle diese Menschenleben aufs Spiel gesetzt. Er allein ist schuld an dem Tod von Hunderten frommer Ritter.«
    Gregor  IX . lächelte zufrieden. Auf die Klugheit eines Templers konnte man sich immer verlassen. Sie verstanden sich einfach auf die Volten des schnellen Denkens. Verächtlich blickte er auf die drei verwirrten Kardinäle. Es stand schlecht um die Kirche, wenn ihre obersten Vertreter nicht einmal die Grundbegriffe der Diplomatie der Kurie beherrschten.
    Seine Heiligkeit wandte sich deshalb ausschließlich an den Tempelritter und sagte: »Meine Kundschafter haben mir zugetragen, dass der Kaiser es außerdem versäumt hat, für genügend Lebensmittel zu sorgen.«
    »Auch ich habe davon gehört«, erwiderte der Templer. »Die Männer hungern, und sogar das Wasser wird knapp.«
    Der Papst dachte einen Moment nach und bereitete sich dann auf einen weiteren Schachzug vor.
    »Ist es nicht meine christliche Pflicht, die Menschen über die Unzulänglichkeiten des Kaisers aufzuklären? Haben sie nicht ein Recht, zu erfahren, wer der Schuldige am Tod der tapferen Kreuzritter ist?« Papst Gregor bemerkte den bewundernden Blick des Templers und fühlte sich geschmeichelt. »Lasst die Schreiber kommen«, befahl er den Kardinälen. »Ich habe einiges zu verkünden.«

T rotz der Sonne fühlten sich ihre Gewänder immer noch klamm an. Sie tropften zwar nicht mehr, aber das feuchte Gewebe scheuerte unangenehm auf der Haut. Biancas Hoffnung hatte sich erfüllt. Auf der Straße zur Küste waren Scharen von Pilgern unterwegs, eine kaum zu unterscheidende graubraune Masse auf dem Weg zur Erlösung von allen Sünden.
    Singend und betend zogen sie die Straße entlang und ächzten unter der Hitze. Am Straßenrand saßen Pilger im Gras und machten Rast, tranken trübes, stinkendes Wasser und aßen – wenn überhaupt – ein Stück trockenes Brot.
    Bianca sah alte Frauen, die sich kaum auf den Beinen halten konnten, sich auf Knien weiterschleppten und flüsternd ein »Ave Maria« beteten. Kinder in Lumpen, die sich den Pilgergruppen angeschlossen hatten, in der Hoffnung, bitterster Armut in der Heimat zu entfliehen und auf dem Kreuzzug ein Stück Glückseligkeit zu ergattern. Kranke und verkrüppelte Menschen, die um Gottes Barmherzigkeit baten und fest an das Wunder ihrer Genesung glaubten.
    Noch nie hatte Bianca so viel Leid und Elend auf einer einzigen Straße versammelt gesehen. In manchen Gesichtern entdeckte sie den Glauben an die Erlösung durch den Herrn, in anderen erblickte sie blanken Irrsinn. Viel zu lange waren diese Menschen schon durch die Hitze getrottet und hatten wenig zu sich genommen, dafür aber umso mehr gebetet.
    Das Pflaster unter ihren Füßen bestand aus großen groben Steinen und war übersät mit frischen und getrockneten Blutstropfen. Die meisten Pilger trugen weder Schuhe noch Strümpfe, und die Lappen, die sie sich um ihre schmerzenden Füße gebunden hatten, waren längst löchrig geworden oder fast gänzlich zerfallen.
    Bianca verfluchte die Straße, die Steine, die Hitze – und empfand doch tiefe Dankbarkeit, dass ihnen die Flucht bis hierher geglückt war.
    Der Anblick vereinzelter Gruppen schwerbewaffneter Ritter, die an den Pilgern vorüberritten, jagte ihr zwar jedes Mal aufs Neue einen Schrecken ein, doch bislang hatte sie keinen ihrer Verfolger erkannt. Sie hoffte inständig, Heinrich von Passau und seinen schwarz gekleideten Helfer erfolgreich abgeschüttelt zu haben. Und hier gab ihnen die Anonymität in der Gruppe ein Stückchen Sicherheit.
    Inzwischen hatte sie Lorenzos Wissenslücken über die Ereignisse der vergangenen Nacht gefüllt, und beide hatten sich geschworen, nie wieder in so eine simple Falle zu tappen.
    In Heinrichs Satteltaschen hatten sie tatsächlich Geld gefunden, und außerdem war es Lorenzo gelungen, das Pferd zu verkaufen. So nah an der Küste gingen alle Pilger zu Fuß, denn das Risiko, mit ihrem mächtigen Streitross ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen, war einfach zu groß.
    Bianca wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Das Flussdelta war ein riesiges Gebiet aus Sümpfen, Schilf, feuchten Wiesen, Sandbänken und kleinen Wasserarmen. Sie war froh, dem Strom der Menschen folgen zu können. Allein wäre sie hier verloren gewesen. Sie fragte sich, ob all diese Männer tatsächlich ins

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