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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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gescheitelt, kinnlang und gerade geschnitten, und einige Fransen waren in die Stirn gekämmt.
    Wie jedes Mal war Karim von der Erscheinung des Kaisers beeindruckt, und ein Blick in die Gesichter der wartenden Menschen zeigte, dass er nicht der Einzige war, dem es so ging.
    Im Schutz einer Hausecke verfolgten Bianca und Lorenzo das Spektakel um die mit Spannung erwartete Ankunft des Kaisers. Sie hatten ihre Pilgerkluft gegen die Kleidung einfacher Dienstleute getauscht. Bianca trug einen langen braunen Rock und eine ehemals weiße Bluse, Lorenzo ein schwarzes Gewand, das ihm bis zu den Waden reichte. An den Füßen hatten sie einfache Filzschuhe. Ihre Gesichter waren mit Staub verschmiert, eine Vorsichtsmaßnahme, die sie sich hätten sparen können. Niemand achtete auf sie.
    Bianca starrte auf den Kaiser, als wäre sie dem legendären Tristan aus dem Minnelied Gottfrieds von Straßburg höchstpersönlich begegnet. Es gelang ihr nicht, sich auf seine Worte zu konzentrieren, und auch Lorenzos Versuche, ihr etwas zuzuflüstern, nahm sie nicht wahr.
    Noch nie hatte sie einen so faszinierenden Mann gesehen. Der Kaiser wirkte unbesiegbar, strahlend in seinem kostbaren Umhang. Sie spürte die Anziehungskraft, die von diesem Mann ausging, und verstand, warum so viele Menschen ihm in das Heilige Land folgen wollten.
    Und darüber hinaus setzte er Gefühle in ihrem Inneren frei, die sie bislang nicht gekannt hatte. Unwillkürlich griff sie nach Lorenzos Arm.
    »Lorenzo, sieh doch die Gesichter der Leute, wie er ihnen Mut macht.« Auch sie fühlte neuen Elan und blickte ihren Begleiter eindringlich an. »Ich weiß nun, was wir tun werden. Ich habe lange nachgedacht und gezögert, aber jetzt bin ich mir sicher.«
    Lorenzo kannte die Gräfin inzwischen gut genug, um zu ahnen, dass ihre begeisterte Ankündigung neue Abenteuer und neue Gefahren mit sich bringen würde. Vor Aufregung bekam er einen trockenen Mund, schluckte und schwieg.
    »Lorenzo«, sagte sie und strahlte ihn dabei an. »Lass uns mit dem Kaiser ziehen. Wir schließen uns seinem Tross an.«
    Lorenzo stöhnte innerlich. Noch eine Seereise, diesmal weit über das Meer ins Morgenland. Er fürchtete die Schrecken der Seekrankheit und war sich nicht sicher, ob er sie ein zweites Mal überleben würde. Er fühlte sich so erschöpft, als wäre er die ganze Strecke vom Piemont nach Apulien gerannt, und mit Bewunderung sah er Bianca an, die seit der Ansprache des Kaisers aufgeblüht war wie eine der cremigen Gallicarosen, die sie so liebte.
    Der Kaiser hatte den Platz längst wieder verlassen, aber die Menge wollte sich noch nicht zerstreuen. Die Menschen sprachen und debattierten, die Söldner riefen nach Wein, und die Mägde beeilten sich, in den Schutz der Häuser zurückzukehren.
    Lorenzo war es zwar leid, immer weiter zu fliehen. Er fürchtete, ihre Verfolger würden sie noch bis an die Grenzen dieser Welt treiben, und was würde geschehen, wenn sie endlich den Rand des Meeres erreicht hätten? Aber seine Treue zu Bianca stand über allem anderen. Wenn sie dem Kaiser folgen wollte, dann würde er sie mit Gottes Hilfe begleiten. Lieber wollte er zur Hölle fahren als die Gräfin allein lassen.
    Und während Lorenzo und Bianca in Gedanken nach Osten über das Meer sahen, machte sich Karim voller Sorgen auf den Weg zurück ins Lager.
    Niemand aus der Menge hatte dem Kaiser die Symptome des Fiebers angemerkt, da war sich Karim absolut sicher. Friedrich hatte ein perfektes Schauspiel geboten und alle in seinen Bann gezogen. Er war ein Meister der Selbstdarstellung und hatte es wieder einmal verstanden, auch seine größten Kritiker zum Schweigen zu bringen. In dieser Beziehung hielt Karim den Kaiser für ein Genie, in Bezug auf seine Gesundheit jedoch für einen verantwortungslosen Raubritter.

Z usammen mit seinen engsten Vertrauten genoss Papst Gregor  IX . seinen Lieblingsrotwein, einen Brunello aus der Toskana – kräftig, erdig und doch mit einem angenehm fruchtigen Geschmack auf der Zunge. Der Heilige Vater wusste einen guten Tropfen immer zu schätzen, und besonders heute war ein Anlass zur Freude.
    Aus dem engsten Kreis des Kaisers war das Gerücht nach Rom gedrungen, Friedrich sei am heimtückischen Sumpffieber erkrankt. Wenn das stimmte, und der Papst zweifelte nicht an der Zuverlässigkeit seiner Informanten, dann hatte die Kirche einen Meilenstein im Machtkampf mit dem Kaiser erreicht.
    Seine Heiligkeit schmunzelte zufrieden. In weiser Voraussicht hatte er

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