Die Maetresse des Kaisers
durchkämmt und nichts gefunden. Keine Spur von den beiden falschen Pilgern. Bianca und ihr Falkner waren wie vom Erdboden verschluckt. Sogar die widerwärtigen Krankenlager hatte er besucht, um seine Beute aufzuspüren. Er hatte sterbenden Rittern und Huren ins Gesicht geblickt und die stinkenden Leichen gewissenhaft inspiziert, bevor die wenigen gesunden Bürger von Brindisi sie auf den riesigen Scheiterhaufen verbrannten.
Den klebrigen Geruch des Todes konnte er schon früher nicht ertragen, aber er blieb und suchte verbissen weiter. Wie eine gierige Meute, dem Wild auf der Spur. Doch die, die er suchte, hatte er nicht wiederfinden können. Er blickte zur Seite, zu der hageren Gestalt Heinrichs von Passau, und verfluchte den Unbekannten, der ausgerechnet in dem Moment den Weg des Barons gekreuzt hatte, als der sich schon fast am Ziel seiner Jagd wähnte. Nur ein Herzschlag hatte gefehlt, und Lorenzo, der verräterische Falkner, wäre ins Jenseits geschickt worden, dahin, wo er nach Meinung des Mannes in Schwarz längst hingehörte. Die Hand Heinrichs von Passau hatte die schöne Bianca schon berührt, als der Himmel den Flüchtlingen unerwartet Hilfe geschickt hatte.
Beide Männer blinzelten gegen die grelle Sonne, versuchten ihrem Zorn Herr zu werden und mit kühlem Blut nachzudenken. Ihrer Überzeugung nach gab es nicht mehr viele Möglichkeiten, wo sich die Gräfin Lancia und ihr Falkner verborgen halten könnten. Bedingt durch die Seuche, herrschte schon seit Wochen Panik in der Stadt. Niemand würde zwei unbekannte Pilger verstecken, und ganz sicher nicht über eine so lange Zeit.
Bianca und ihr willfähriger Helfer mussten die Stadt wieder verlassen haben, darüber gab es nicht die geringsten Zweifel. Aber in welche Richtung hatten sie sich gewandt?
»Denk nach«, forderte der deutsche Baron seinen Begleiter auf. »Zwei Pilger, die nicht zurückkönnen, aber auch kein Versteck haben – was würden die tun?«
»Was weiß ich«, gab dieser unwirsch zurück. »Vielleicht sind sie ja doch tot. An der Krankheit verreckt, an dem fauligen Wasser oder an beidem.«
»Möglich«, überlegte Heinrich von Passau laut, »aber ich bin sicher, wir hätten ihre Leichen gefunden.«
»Und wenn sie verbrannt worden sind, bevor wir in all diese stinkenden Säcke geblickt haben?«
»Hm. Nehmen wir an, sie leben noch. Wo sind sie dann?«
»Das hat doch keinen Sinn. Sie können überall sein.«
Der Mann in Schwarz erntete für diese hingeworfene Bemerkung einen giftigen Blick.
»Sie sind aber nicht überall. Mann, denk nach. Sie müssen einen bestimmten Weg gewählt haben. Schließlich können sie sich nicht wie ein Vogel in die Lüfte erheben.«
»Vielleicht sind sie wie ein Fisch geschwommen.«
Mit einem Ruck wandte sich Heinrich von Passau ihm zu. »Geschwommen. Ich Narr. Wohin gehen zwei Pilger in Todesangst? Mein Gott, sie bleiben natürlich bei den anderen Pilgern.«
»Ihr meint, die beiden sind mit der kaiserlichen Flotte ins Heilige Land gesegelt?«
»So ist es.«
»Dann ist unsere Arbeit getan.«
»Wie soll ich das verstehen?«
Der Mann in Schwarz sah den deutschen Baron verständnislos an. »Die Flotte ist vor vielen Tagen ausgelaufen. Weiß der Himmel, wo die beiden an Land gegangen sind.«
»Allmächtiger, wie begriffsstutzig darf ein Mann sein? Die Flotte läuft auf dem Weg ins Heilige Land nicht irgendwelche Häfen an. Das sind keine Handelsschiffe wie die der Venezianer, die überall an der Küste Waren ein- und ausladen.«
»Trotzdem. Diese Narren, die sich Streitmacht Christi nennen, sind führungslos. Der Landgraf ist an der Seuche krepiert, und auch über den Kaiser geht das Gerücht, er sei tot. Woher wollt Ihr wissen, ob die Schiffe überhaupt bis ins Heilige Land kommen und nicht vorher von Piraten aufgebracht werden?«
»Hm«. Heinrich von Passau grübelte einen Moment über diese Möglichkeit nach, kam aber dann zu dem Ergebnis, dass es durchaus Sinn machte, von einer ungestörten Überfahrt der Schiffe auszugehen.
Vermutlich hatte einer der anderen Männer das Kommando offiziell übernommen, und wie er den Kaiser einschätzte, würde es ihn nicht wundern, wenn es sich dabei um Heinrich von Salza, den Hochmeister des Deutschen Ordens, handelte. Und sollte das stimmen, dann steuerten Pilger und Kreuzritter einen ganz bestimmten Hafen an – Akkon an der Küste Palästinas. Schließlich war ebendiese Stadt zum Sitz des Deutschen Ordens geworden, vor wenigen Jahren erst hatte Franz von
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