Die Maetresse des Kaisers
verdörrt schienen. Orte, von weitem kaum zu erkennen, da alle Steine den gleichen schmutzigen Umbra-Ton aufwiesen wie die Berge, aus denen sie stammten. Auch das Gras hatte sich durch Sonne und Hitze braun gefärbt, und Bianca, die die satten Wiesen ihrer Heimat schmerzlich vermisste, suchte vergeblich nach grünen Flecken, auf denen das Vieh graste. Bei den Bäumen, die sie entdecken konnte, handelte es sich ausschließlich um knorrige Ölbäume, deren Früchte, Oliven genannt, gepresst wurden und ein köstliches Öl lieferten. Es musste ein hartes Leben sein, das die Menschen hier führten, ein unablässiger Kampf gegen die Trockenheit und um jeden Wassertropfen.
Seit sie und Lorenzo aus dem Piemont nach Brindisi geflohen waren, hatte es nicht ein einziges Mal geregnet. Bianca hatte vergessen, die Tage und Wochen zu zählen. Die schreckliche Nacht, in der Enzio sie und Giovanna überfallen hatte, schien weit zurückzuliegen, und doch war die Wunde über den Verlust ihrer Heimat, ja, ihres ganzen früheren Lebens noch frisch und schmerzte jeden Tag.
Normalerweise verbot sie sich, über die Vergangenheit nachzudenken, aber manchmal überfiel sie die Sehnsucht wie ein heimtückischer Räuber aus dem Hinterhalt. Regen. In jener Nacht hatte es geregnet. Sie erinnerte sich an das Wispern des Wassers und später an die beängstigende Stille, als sich die Wolken verzogen hatten. Sie vermisste den Geruch feuchter Wiesen und den sauberen Duft der Luft nach einem starken Gewitter.
Allmächtiger, dachte Bianca, regnet es denn so weit im Süden niemals? Wie kann man leben ohne Wasser?
Sie bedauerte die Menschen, die unter dieser gleißenden Sonne ihre Felder bestellen und tiefe Brunnen graben mussten, um überhaupt genügend Wasser für Tiere und Pflanzen zu finden.
Bianca starrte auf die Bergkette, der sie unablässig näher kamen. Sie hatte schon höhere und gewaltigere Berge gesehen, Felsriesen mit Schneehauben selbst im Sommer, doch keiner hatte so abweisend gewirkt wie diese. Sie schienen leblos und feindselig, und Bianca fühlte eine lähmende Traurigkeit angesichts dieser steinernen Wüsten, wie von bösen Mächten zu Gebirgen aufgetürmt.
In der vergangenen Nacht war ihr im Traum der Engel erschienen, aber er hatte keine tröstenden Worte für sie gehabt. Sein Blick war mitfühlend, doch sein Mund stumm geblieben. Angst war in Biancas Herz gekrochen, hatte sich dort festgesetzt und war auch bei Tagesanbruch nicht verflogen. Den ganzen Morgen hatte sie an das Antlitz des Engels denken müssen. War sein ernster Ausdruck eine unausgesprochene Warnung? Sie nahm sich vor, noch wachsamer als sonst zu sein.
Diese Insel namens Zypern kam Bianca riesig vor. Sie fühlte sich klein und verloren gegen die Masse aus braunem Gestein. Der Kapitän der Clara hatte den Pilgern gesagt, dass sie den Hafen von Famagusta ansteuern würden, um frisches Wasser und neue Lebensmittel an Bord zu nehmen.
Famagusta sollte die letzte Station vor der Küste Palästinas sein. Nach diesem Aufenthalt würden sie direkt nach Akkon segeln. Und dort würde die Clara die Pilger von Bord lassen, um dann so schnell wie möglich in ihren Heimathafen Brindisi zurückzukehren.
Bianca hegte den Verdacht, dass der Kapitän insgeheim alle Pilger für Narren und Irre hielt, die sich freiwillig einem unbekannten und höchst unsicheren Schicksal aussetzten, ja, schlimmer noch, ihrem fast sicheren Tod heiter entgegengingen, in der Überzeugung, im Jenseits endlich Erlösung zu finden. Aber, grübelte sie, war nicht das ganze Leben nur eine Vorbereitung auf den Tod? Das wahre Glück, das hatten sie die Nonnen gelehrt, würde sie ohnehin erst im Paradies finden. Sie hatte es nicht gewagt, den Nonnen zu widersprechen, und deren Überzeugung, dass die Erde ein Jammertal und erst der Himmel ein Hort der Glückseligkeit sei, als unumstößliche Wahrheit hingenommen. Doch manchmal, wenn sie in ihrem Rosengarten im Gras lag, zum Himmel schaute und die Falken im Flug beobachtete, kamen ihr leise Zweifel. Warum hat Gott, der allmächtige Schöpfer, die Erde so wunderschön gemacht, fragte sie sich dann, wenn er nicht wollte, dass sie sich daran freute? Auch wenn jeder Mensch früher oder später dem Tod begegnete und seinem Schöpfer gegenübertreten musste, so war sich Bianca doch sicher, dass der Herr des Himmels und der Erden allen Menschen ein bisschen Glück schon im Diesseits gönnte.
Die Reise auf der Clara hatte ihr nicht nur einen Vorsprung vor ihren
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