Die Maetresse des Kaisers
Und unter anderen Umständen würde ich dich selbst behalten. So aber, teure Bianca, bringe ich mich zwar um viel Vergnügen, werde aber dafür den Münzbeutel für meine Gefährten und mich wieder auffüllen können.«
»Was habt Ihr vor? Mich als Hure anzubieten?«, fragte Bianca verächtlich.
»Aber, aber, was für ein unfeiner Gedanke. Dein Wert, Bianca, ist mit dem einer Hure nicht zu vergleichen.«
»Was dann? Einen alten gebrechlichen Mann finden, der bereit ist, für das Glück einer Ehe zu zahlen?«
»Keine schlechte Idee, aber meine ist besser. Und außerdem, sagtest du nicht, dass du schon verheiratet bist?«
Bianca zog es vor, dem Sarkasmus des Ritters nichts zu entgegnen.
»Genug geredet. Es ist spät. Im Morgengrauen, wenn alles schläft, bringen wir euch zum Hafen. Dort liegt ein Schiff, das morgen Kurs auf die Stadt Damiette nimmt.«
»Damiette?«, entfuhr es Bianca.
»An der ägyptischen Küste. Kennst du die Stadt? Meine Freunde und ich fahren nicht mit. Zu viele Muslime, verstehst du? Wir bekommen unseren Anteil schon hier.«
»Mein Gott«, ächzte Lorenzo, dem es endlich gelungen war, sich aufrecht hinzusetzen. »Wir sind verloren.«
»Wie man es nimmt«, erwiderte der englische Ritter feixend. »Seid uns dankbar, dass wir euch am Leben lassen. Übrigens, hütet euch, bei den Sarazenen zu stehlen. Man sagt, sie hacken Dieben beide Hände ab.«
»Damiette«, murmelte Bianca. Irgendwo hatte sie von dieser Stadt gehört, doch ihr Denkvermögen schien unter dichtem Nebel verborgen, den kein Blitz der Erinnerung durchdringen konnte. Reiß dich zusammen, schalt sie sich, und denk nach. Wo war ihr bloß der Name dieser Stadt begegnet?
Sie blickte in die grinsenden Gesichter der beiden Ritter und in Lorenzos verzweifeltes Antlitz. Und dann fiel es ihr ein.
Ihr Bruder Manfred war einmal dort gewesen, als die Stadt noch in christlichen Händen war. Inzwischen hatten die Muslime Damiette zurückerobert. Und auch auf der Clara hatte einer der Ritter von Damiette erzählt. Er beschrieb eine blühende Stadt an der Mündung eines riesigen Flusses, Nil genannt. Damiette war von den Kreuzrittern eingenommen worden, obwohl die Stadt als unbesiegbar galt, denn ein gigantischer Turm verschloss mit einer mächtigen Kette aus Eisen, die von einem Ufer zum anderen geführt worden war, die Einfahrt in das Flussdelta. Die christlichen Ritter waren demnach erfolgreich gewesen. Geradezu schwärmerisch hatte der Ritter von dem technischen Geniestreich eines Mannes namens Oliver berichtet, dem es gelungen war, eine völlig neuartige Belagerungskonstruktion zu entwickeln. Er hatte zwei Schiffe zusammenbinden und darauf vier Masten aufrichten lassen. An diesen war mit Hilfe von Seilen eine bewegbare Zugbrücke angebracht worden, mit der der Kettenturm schließlich erobert werden konnte, obwohl die Muslime mit griechischem Feuer die Schiffe fast zerstört hätten.
Damiette war daraufhin einer der wichtigsten Stützpunkte der christlichen Ritter geworden, doch während des letzten Kreuzzugs aufgrund taktischer Fehler des päpstlichen Legaten Pelagius, der sich als unfähig erwies, ein Kreuzfahrerheer zu leiten, wieder an die Muslime gefallen.
Dieses Mal hatten die Muslime eine List ersonnen. Sultan al-Kamil hatte die Deiche des Nils durchstechen lassen und das gesamte Land unter Wasser gesetzt. So blieben die christlichen Ritter mit ihren schweren Rüstungen, ihren Pferden und Wagen hilflos im Morast stecken, Damiette bekam keinen Nachschub und musste den Kampf verloren geben. Jetzt gehörte Damiette zum Herrschaftsgebiet des Sultans al-Kamil, und der Name der Stadt ließ die Christen vor Angst erzittern.
Die ganze Geschichte überflutete mit einem Mal Biancas Gedächtnis. Und auf einen Schlag war ihr klar, welches Schicksal die Engländer für Lorenzo und sie im Sinn hatten. Sie warf den Kopf zurück und schrie, so laut sie konnte: »Nein!« Und immer wieder: »Nein!«
Der Engländer sprang auf sie zu und verschloss ihr mit seiner kräftigen Hand den Mund.
Sie wehrte sich wie eine Tobsüchtige, trat gegen seine Waden, versuchte mit den Fäusten zu schlagen, doch gegen die muskulösen Arme des Kreuzritters hatte sie keine Chance. Nach kurzem aussichtslosem Kampf sank sie verzweifelt neben Lorenzo zu Boden. Dieser zog seine Herrin tröstend zu sich heran, und Biancas Tränen sickerten durch das grobe Leinen seines Pilgergewands. Lange saßen sie auf dem abgetretenen Holzboden der Kammer wie zwei Kinder, die aus
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