Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
das Haar. »Bist du verletzt?«
Alena schüttelte schluchzend den Kopf. »Ich nicht, aber Änni …« Sie sprang auf und eilte zu ihrer Freundin.
»Was ist mit Gabriel?«, krächzte Änni und hob den Kopf.
Alena griff nach einem Rockzipfel und wischte ihr das Blut aus dem Gesicht. »Es geht ihm gut.«
»Und Gotthardt?« Änni stützte sich auf die Ellbogen. Als ihr Blick auf den regungslosen Leib fiel, verzog sie die Lippen mühevoll zu einem Grinsen. »Ist er hinüber?«
»Ich weiß es nicht, und ich will es auch nicht wissen. Auf jeden Fall müssen wir fort von hier.« Alena sah Iven flehend an. »Hilfst du Änni auf die Beine?«
»O Schreck, mir ist schwindelig.« Änni taumelte, doch Iven hatte sie sicher im Griff.
»Sophie!« Alena blickte hinüber zum Schuppen. »Ich muss sie holen.« Doch ehe sie den Holzverschlag erreicht hatte, tat sich wie von Geisterhand die Tür auf.
Heraus trat Mergh und schritt auf sie zu. Im Arm hielt sie die kleine Sophie und richtete die Spitze eines Dolches auf ihre Brust. »Du hast die Wahl, Hure. Deine Teufelsbrut oder dieses kleine Miststück!«
Alena schrie auf, und mit einem Mal waren Änni und Iven an ihrer Seite.
»Wenn du der Kleinen etwas antust, bringe ich dich um«, zischte die Magd.
Mergh lachte auf. » Du bringst mich um?« Dann hielt sie kurz inne und blickte über Ännis Schulter hinweg.
Alena wandte sich um und sah, wie Gotthardt sich zu regen begann. Für einen Augenblick herrschte eine gespenstige Stille in dem Garten.
Iven trat einen Schritt auf Mergh zu.
»Bleib, wo du bist!« Die Spitze des Dolches bohrte sich in das Tuch, in das Sophie gewickelt war. Das kleine Mädchen sah Mergh mit großen Augen an.
Alena presste sich die Hand auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Hinter ihr stöhnte Gotthardt.
»Lass sie in Ruhe!«, schrie Änni und wollte sich auf Mergh stürzen, doch Alena hielt sie am Arm zurück.
Sollte sie sich wirklich zwischen ihrem Sohn und Sophie entscheiden müssen? Sie begann, am ganzen Leib zu zittern, als wäre sie in einen Eiswind geraten.
Plötzlich tauchte eine weitere Gestalt im Garten auf. Ein gezielter Stockhieb auf den Kopf brachte die Schwiegermutter zu Fall. Rasch riss Diederich ihr den Dolch aus der Hand und warf ihn ins Gras. Änni preschte vor, nahm ihr die kleine Sophie aus dem Arm und rannte davon.
Noch bevor Alena begreifen konnte, was um sie herum geschah, stand Gotthardt vor Diederich und rammte das Messer in das Herz des Schellenmannes. Dem Tod ins Auge blickend, sank Diederich in die Knie und fiel kopfüber ins Gras. Schon wandte Gotthardt sich zu Alena. Sein Gesicht hatte sich zu einer Fratze verzerrt.
Iven legte schützend den Arm um Alena. Wie von Sinnen starrte sie auf den toten Schellenmann. Warum war er hierhergekommen? Wo war Änni?
Als hätte Alena sie mit ihren Gedanken herbeigerufen, tauchte die Magd wieder auf. Drei Stadtsoldaten begleiteten sie, die Gotthardt mit wenigen gezielten Griffen überwältigten. Noch ehe Mergh die Besinnung wiedererlangt hatte, waren ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt worden, und einer der Soldaten zog sie unbarmherzig an den Haaren in die Höhe.
Alena sah den Soldaten nach, die Mergh und Gotthardt aus dem Garten schleiften. Dann lief sie zu dem Apfelbaum und ließ sich weinend in seinem Schatten nieder. Dankbar drückte sie Gabriel an sich und strich mit dem Daumen über seine rosigen Wangen. Zum Glück war der Kleine unversehrt. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Änni Iven einen Schubs in ihre Richtung gab. Alena hoffte, dass er zu ihr käme. Doch er warf ihr nur einen traurigen Blick zu, wandte sich ab und verließ wortlos den Garten.
Gülich schaute verärgert in den Himmel und beschleunigte seinen Schritt. Vor nicht ganz einer Stunde hatte die Sonne geschienen, doch nun regnete es, als hätte der Herrgott sämtliche Himmelsschleusen über der Stadt Köln geöffnet. Selbst auf das Wetter war kein Verlass. Endlich im Rathaus angelangt, schüttelte er den nassen Hut aus und warf ihn vor seinem Arbeitszimmer auf einen Stuhl. An seinem Schreibpult warteten bereits Elsgen und Puckel, das Verwalterehepaar des Leprosenhofes. Ambrosius Peltzer, den Hospitalmeister, hatte wohl der Erdboden verschluckt, denn niemand hatte ihn seit seiner Erholungsreise in den Spessart zu Gesicht bekommen.
An dem kleinen Tischchen unter dem Fenster spitzte bereits der Schreiber seine Feder, um alle Aussagen genau festzuhalten. Mindestens zwei weitere Mitglieder der
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