Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Jorgen? Iven schickt mich.«
»Mich kennst du offenbar schon, aber wer bist du, Frauchen?« Hans Jorgen lehnte sich mit seinen schmächtigen Schultern an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Mein Name ist Alena. Ich arbeite als Magd auf dem Leprosenhof. Iven sorgt sich sehr um seine Eltern. Darf ich eintreten?« Alena wunderte sich selbst über ihre Forschheit, doch so, wie Iven seinen Bruder beschrieben hatte, stand ihr der Sinn nicht nach Geplänkel.
»Dachte ich es mir doch.« Hans Jorgen verzog die Lippen. »Aber gut, komm rein.«
Ivens Bruder war nicht allein. An dem Bohlentisch vor der Feuerstelle saß ein weiterer Mann, dessen blondes Haar zu einem strengen Zopf gebunden war. Seine Stiefel waren aus feinstem Leder gefertigt und sein Wams aus bestem Stoff geschneidert. »Wen haben wir denn da?«, säuselte der Mann und neigte sein Haupt zur Seite.
Hans Jorgen stellte sich hinter ihn und strich ihm mit einer zärtlichen Geste über die Schulter. »Das Frauchen kommt im Auftrag meines Bruders.« Er griff nach dem Zopf des Mannes und ließ das Haar durch seine Hand gleiten.
Alena schüttelte es. Sollte Hans Jorgen dem Herrn etwa liebevoll zugetan sein? Noch nie hatte sie solch eine Geste unter Männern gesehen. Unaufgefordert setzte sie sich an den Tisch. »Deine Eltern sind nicht an der Sieche erkrankt. Warum hast du sie ins Leprosenhaus gebracht, wo du doch hier für sie sorgen kannst?«
»Was spricht denn dagegen? Sie sind dort wie die anderen alten Leute bestens untergebracht.«
»Sie sind nirgends besser aufgehoben als in ihrem vertrauten Heim.« Alena spürte, wie der Zorn in ihr aufwallte. Der feine Hans Jorgen wollte sich wohl seiner Verpflichtung entziehen.
»Ach, Frauchen, weshalb regst du dich auf? Sieh, ich bin eine schlechte Hausfrau. Ich kann weder gut kochen noch mit dem Putzlappen umgehen.«
Aber das Bett mit einem Mann teilen wie eine Frau, das kannst du , schoss es Alena durch den Kopf. »Für das Geld, mit dem du ihre Pfründe bezahlt hast, hättest du eine Magd anstellen können.«
»Wer sagt denn, dass ich für sie bezahlt habe? Die Provisoren haben sich gnädig gezeigt, als ich ihnen von meiner misslichen Lage erzählte.« Hans Jorgen schürzte die Lippen und setzte sich neben sie. Seine klammen Finger griffen nach Alenas Hand.
Angewidert zog sie den Arm fort.
»Wie geht es Iven? Hat sich der Aussatz verschlimmert?«
»Du warst doch auf dem Hof. Warum hast du ihn nicht selbst gefragt?«
»Mir blieb keine Zeit. Eine wichtige Verabredung wartete auf mich.« Hans Jorgen schenkte dem Herrn an dem Tisch ein verliebtes Lächeln.
Alena hatte genug gesehen. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und verabschiedete sich hastig.
Als sie wieder auf der Straße nach Aachen war, dachte sie an Gabriel. Wenn irgendetwas mit ihm geschehen wäre, hätte Mettel ihr gewiss eine Nachricht überbringen lassen. Davon war sie überzeugt.
Alena musste bis zum Abend warten, ehe sie Iven von ihrem Zusammentreffen mit Hans Jorgen erzählen konnte. Auf dem Weg zu seiner Kammer setzte das bereits vertraute Herzklopfen ein.
»Da bist du ja endlich! Dieses Warten! Kein Ende wollte es nehmen.« Iven schloss sie in seine Arme, kaum dass sie die Schwelle überschritten hatte.
Sehnsüchtig versank Alena in seinem Kuss.
Doch viel zu schnell nahm Iven die Lippen von ihren und zog sie zu dem Tisch, auf dem bereits ein Krug Bier stand. »Erzähl! Was hat Hans Jorgen gesagt?«
»Dein Bruder wollte mir weismachen, dass er nicht in der Lage ist, für eure Eltern zu sorgen.«
»Das war mir klar.« Iven ballte die Faust. »Er will sich wieder einmal der Verantwortung entziehen. So hat er es all die Jahre über gemacht. Hast du ihn gefragt, woher er das Geld für die Pfründe genommen hat?«
»Er behauptet, dass er nichts bezahlt hat. Aber glaube mir, das stimmt nicht.« Alena umschloss Ivens Faust mit beiden Händen. »Er war nicht allein im Haus. Ein Herr war bei ihm. Allem Anschein nach ein sehr wohlhabender Mann. Weißt du, was ich vermute?«
»Sag’s mir!« Ivens Kiefermuskeln zuckten. Grimmig zog er die Augenbrauen zusammen.
»Dein Bruder teilt mit dem Herrn das Bett. Um dabei ungestört zu sein, hat dieser Mann die Pfründe für deine Eltern gekauft. Hans Jorgens Verhalten und sein Umgang mit dem Fremden sprachen jedenfalls eine deutliche Sprache.«
Iven sprang auf. »Verdammt! Mein Bruder ist eine männliche Hure.« Außer sich vor Zorn, schlug er mit der Faust gegen die Tür. »Kein
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