Die Magd von Fairbourne Hall
Connors Gesicht im Spiegel verzog sich. »Sie wollen doch nicht sagen, dass es der Dichter-Pirat war?«
»Der Gedanke ist mir gekommen, doch.«
Connor zögerte und dachte nach. »Es heißt, er sieht aus und kleidet sich wie ein vollendeter Gentleman, nicht wahr?«
»Ja. Ich kenne den Mann und es stimmt.«
Die Augen des Kammerdieners weiteten sich. »Wirklich, Sir?«
»Ich fürchte, ja. Der verdammte Kerl hat mein Schiff angezündet.«
Der Rasierer schwebte über Nathaniels Gesicht, während Connor angestrengt nachdachte. »Er … er hat sich vielleicht ein bisschen hochtrabend ausgedrückt. Aber poetisch? Ich bin nicht sicher. Ich muss darüber nachdenken, Sir. Mal sehen, ob mir noch etwas einfällt.«
»Tu das.«
Connor wischte Nathaniel die restliche Seife ab und cremte ihn mit einer würzig duftenden Lotion ein. »Hätten Sie etwas dagegen, Sir, wenn ich nach Mr Lewis sehe? Ich könnte ein frisches Nachthemd hinunterbringen und der Pflegerin helfen, ihn zu waschen. Vielleicht könnte ich ihn sogar rasieren, wenn es ihm keine Schmerzen bereitet.«
»Das kannst du gerne tun.« Nathaniel spürte einen leisen Anflug von Wehmut. Vielleicht hätte er sich vor Jahren ebenfalls einen Kammerdiener zulegen sollen. »Deine Fürsorge ehrt dich.«
Connor schüttelte verlegen den Kopf. »Ich möchte doch nur irgendetwas tun.«
Nathaniel nickte. »Ich verstehe dich.«
Margaret arbeitete sich wie im Nebel durch ihre Morgenpflichten. Sie konnte es nicht fassen. Beim bloßen Gedanken daran wurde ihr ganz schlecht. Wer hatte auf Lewis Upchurch geschossen? Lewis war ein Herzensbrecher, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jemanden zum Duell forderte. Was hatte er getan, um einen anderen Mann zu solch einem Schritt zu veranlassen? Hatte er den falschen Mann beleidigt … oder die Frau, Schwester oder Herzensdame des falschen Mannes? Das konnte sie sich gut vorstellen. Trotzdem lief ihr bei dem Gedanken, dass Lewis dem Tode nahe war, ein Schauer über den Rücken.
Sie ging hinauf in der Hoffnung, Helen ein wenig trösten zu können, doch als sie vor Helens Tür stand, kam Betty gerade heraus, die Lippen geschürzt.
»Sie ist nicht da. Ihr Bett ist unberührt. Wahrscheinlich hat sie die Nacht im Krankenzimmer verbracht. Die Ärmste.«
Margaret hatte keinen Appetit, deshalb ging sie nicht zum Frühstück ins Dienstbotenzimmer, sondern in die Destillierkammer, wo sie gern mit der fröhlichen, vernünftigen Hester gesprochen hätte. Sie fand sie über den Arbeitstisch gebeugt, mit beiden Händen eine Bürste haltend, neben sich einen Eimer mit dampfender Seifenlauge. Sie stand nach vorn gebeugt und benutzte ihr ganzes Gewicht, um den Tisch zu schrubben, die Lippen grimmig zusammengepresst, die Wangen gerötet von der Anstrengung, schwer atmend. Die Muskeln und Adern an ihren Unterarmen traten hervor.
»Hester …?«
Hester blickte auf, hörte aber nicht auf zu schrubben. »Egal, wie fest ich schrubbe, mit Salz, Lauge, Seife … es hilft nichts. Es wird nicht sauber.«
Margaret hatte Hester noch nie aufgebracht gesehen. Sie legte ihr die Hand auf die Schulter. »Lass mich mal. Du bist müde.«
Hester nickte dankbar und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie lehnte sich ans Büfett, während Margaret die Bürste nahm und anfing zu schrubben.
»Unter uns gesagt«, meinte Hester, »ich werde nie wieder Teig auf diesem Tisch ausrollen können. Ich werde ihn immer mit Pergament abdecken oder ein Tablett benutzen müssen. Wie ich auch schrubbe, ich sehe immer sein Blut. Ich rieche es sogar.«
»Es tut mir so leid, Hester. Es ist schrecklich.«
»Ja. Ich habe so etwas noch nie gesehen und bete, dass ich es auch nie wieder sehen werde.«
»Kann ich irgendetwas für dich tun?«
»Mir dir zu reden, hat mir schon geholfen, Nora. Ganz gleich, was die anderen sagen, für mich bist du ein Sonnenstrahl.«
Verlegen schrubbte Margaret weiter, dann spülte sie die Seife ab und trocknete den Tisch mit einem sauberen Handtuch. »Fleckenlos sauber«, verkündete sie.
»Besser«, gab Hester zu.
Margaret drückte Hesters Hand und ging; es war fast Zeit für die Morgenandacht. Auf dem Flur wäre sie beinahe mit Connor zusammengeprallt, der gerade in die Destillierkammer wollte. »Oh! Entschuldigung!«
Er nickte stumpfsinnig und trat zur Seite. Sein Gesicht war immer noch blass. Er wirkte genauso schockiert von der Tragödie wie Hester. Aber das war ja nur allzu verständlich, schließlich hatte er das Drama als
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