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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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aufgeräumt war, der Pflegerin Essen zu bringen und sich um die Wünsche der Familie zu kümmern, die so viel Zeit dort verbrachte.
    Am Abend war Margaret bereits in ihrem Schlafzimmer im Dachgeschoss, als ihr einfiel, dass sie vergessen hatte, das Teegeschirr abzuräumen, das sie vor ein paar Stunden ins Krankenzimmer gebracht hatte. Sie seufzte schwer und ging wieder hinunter.
    Unten schlich sie auf Zehenspitzen über den Flur. In der Halle blickte sie zu der zum Krankenzimmer umfunktionierten Bibliothek hinüber. Die Tür war geschlossen. Sie überlegte, ob Helen und Nathaniel wohl noch Wache hielten oder ob die Pflegerin sie bereits abgelöst hatte. Da ging die Tür auf und Margaret blieb stehen. Sie trat in den Schatten hinter der großen Treppe zurück, um die Herrschaft vorbeigehen zu lassen.
    Ein Mann kam heraus und schloss leise die Tür hinter sich. Im Mondlicht erkannte sie Connor, Lewisʼ Kammerdiener, mit Toilettensachen in der Hand. Es gab ihr einen Stich zu sehen, wie rührend der junge Mann sich um seinen Herrn kümmerte.
    Sie trat aus dem Schatten. Connor erschrak und zuckte zusammen. »Nora. Du hast mich erschreckt.«
    »Tut mir leid.« Sie lächelte entschuldigend, dann flüsterte sie: »Wie geht es ihm?«
    Er schüttelte den Kopf. »Er ist immer noch nicht aufgewacht.«
    Sie drückte seinen Arm. »Es ist sehr freundlich von dir, dich so um ihn zu kümmern.«
    »Die Pflegerin ist da. Du brauchst nicht reinzugehen.«
    »Ich habe vergessen, das Teegeschirr abzuräumen.«
    »Oh.« Er nickte. »Das hätte ich eigentlich tun können.«
    »Das ist nicht deine Aufgabe. Jetzt geh und versuch zu schlafen.«
    »Ja. Gute Nacht, Nora.«
    »Gute Nacht.«
    Sie öffnete leise die Tür. Es machte ihr schon lange nichts mehr aus, wenn sie ein Zimmer betreten musste, in dem Lewis Upchurch schlief. Was sie jetzt entsetzte, war, dass es sich um ein Krankenzimmer handelte.
    Die ältere Pflegerin blickte auf und lächelte. Mrs Welch hatte ein freundliches Gesicht mit vielen Falten und trug eine riesige Haube.
    »Wie geht es ihm?«, flüsterte Nora.
    »Immer gleich, meine Liebe. Nicht besser, nicht schlechter.«
    Margaret nahm das Tablett. »Kann ich Ihnen noch etwas bringen, bevor ich ins Bett gehe?«
    »Danke für das Angebot, aber ich habe alles, was ich brauche.«
    »Dann gute Nacht.« Sie blieb noch einen Moment stehen und blickte auf Lewis hinunter. Es war bedrückend, ihn so blass und still daliegen zu sehen.
    Sie erinnerte sich, worüber Helen und Nathaniel heute Nachmittag gesprochen hatten, als sie das Tablett gebracht hatte. Nathaniel dachte offenbar, dass Mr Saxby Lewis wegen Miss Lyons zum Duell gefordert hatte. Aber Miss Lyons hatte ihrer Freundin gesagt, dass Mr Saxby die Beziehung zu ihr schon vor dem Ball beendet hatte. Sollte sie es Nathaniel erzählen? Sie fand es schrecklich, dass er Lewisʼ Freund fälschlich verdächtigte.
    Sie brachte das Tablett in die Küche und ging dann hinauf auf den Balkon. Sie hoffte, Mr Upchurch dort zu treffen, um ihm ihr Mitgefühl auszusprechen und ihm vielleicht sagen zu können, was sie über Mr Saxby und Miss Lyons wusste.
    Aber sie blickte allein zum Polarstern hinauf. Trotzdem fühlte sie sich Nathaniel hier auf dem Balkon näher, auch wenn er nicht anwesend war. Sie betete, dass Lewis am Leben blieb. Sie betete, dass Helen und Nathaniel Frieden fanden.
    Sie betete, dass ihre Familie – ihre Mutter, ihre Schwester und ihr Bruder – in Sicherheit waren. Plötzlich musste sie an die letzten Stunden ihres Vaters denken. Mr Macy war von einem durchgehenden Vierergespann überfahren worden, als er angehalten hatte, um einem Reisenden auf der Straße zu helfen. Der Wundarzt war ge rufen worden, doch er konnte nichts mehr für ihn tun; Mr Macy hat ­te zu schwere innere Verletzungen. Ihr Vater war noch ein paar Stunden bewusstlos, dann glitt er in die Ewigkeit hinüber. Er war bereit gewesen, seinem Schöpfer zu begegnen, aber sie war nicht bereit gewesen, ihren Vater zu verlieren.
    »Ich vermisse dich, Papa«, flüsterte sie und blinzelte die Tränen zurück.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
27

    Ein Brite weiß …
dass aller Menschen Seelen gleiche Farben tragen,
dass sie den gleichen Wert in ihres Schöpfers Augen haben,
dass keiner ohne Schuld ist nach dem Sündenfalle
und Gottes Liebe rettete uns alle.
    William Cowper, Charity, 1782
    »Hier ist es, Sir. Das ist alles.«
    Nathaniel hatte Connor gebeten, die Taschen von Lewisʼ vielen Mänteln und auch seine übrigen

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