Die Maggan-Kopie
nach K-Delta X2 umdrehte, sah sie den traurigen Ausdruck in i h ren Augen.
„Ich wol l te es nicht töten.“
„Was?“, fragte Maggan verwirrt. Sie war mit den Gedanken bei den Gefahren, die von den Wächtern ausgingen und versuchte sich zu überlegen, was sie jetzt machen sollten, wohin sie fliehen sollten und konnte sich jetzt nicht mit Gras beschäftigen.
„Du hast es nicht getötet“, beruhigte sie ihr anderes Ich. „Du hast ihm nur ... die Haare geschnitten.“ Sie lächelte und K-Delta X2 auch. Eine verrücktere An t wort konnte ihr nicht einfallen, aber K-Delta X2 schien beruhigt zu sein.
„Hoffentlich liegt dir das Klettern genauso im Blut wie mir“, sagte Maggan dann eilig. „Du musst da hinüber klettern.“
Der Zaun erhob sich vor ihnen drei Meter hoch, blinkend wie ein Land e feuer. Maggan zeigte ihr, wie sie sich mit den Fingern in den Maschen festhalten mus s te, dann schob sie die junge Frau hoch. Im selben Augenblick hörten sie das Bellen. Es kam rasant schnell näher. In Maggan stieg Panik auf. Sie ve r setzte K-Delta X2 einen Stoß, der sie nach oben katapultierte. Dann schwang sie sich selbst auf den Zaun. Kaum waren sie an der anderen Seite heruntergesprungen, prallte auch schon der Kopf des Hundes in die Maschen. Er biss wütend und sabbernd in den Zaun. Mit blutunterlaufenen Augen blickte er durch die Maschen. Er war im Jagdfieber, konnte seine Beute aber nicht erreichen. K-Delta X2 sprang erschreckt z u rück und landete auf ihrem Hintern.
„Was ist das?“
„Das ist ein Hund, auch ein Lebewesen“, erklärte Maggan l ä chelnd.
„Komm schnell ins Auto, bevor der Wächter kommt!“ K-Delta X2 kannte zwar keine Hunde, aber was ein Wächter war, das wusste sie genau. Es verhieß nichts G u tes.
Die beiden jungen Frauen rannten Hand in Hand den Weg entlang, bis zum Geländewagen. Zum Glück hatte Maggan ihn gleich in der richtigen Richtung geparkt. Sie schob K-Delta X2 auf den Beifa h rersitz und gurtete sie an. Dann lief sie um das Auto herum und setzte sich auf den Fahrersitz. Sie startete den Motor und ließ den Wagen mit wenig Gas und wenig Lärm die ersten fünfzig Meter rollen. Dann schaltete sie hoch und brauste den Waldweg entlang Richtung Str a ße. Wenn sie Glück hatten, würde der Wächter den W a gen nicht bemerkt haben. Er war weit genug entfernt geparkt gewesen und hatte einen sehr leisen Motor, wovon sich Maggan schon vor ein paar Stunden zu Hause hatte überzeugen kö n nen.
Als sie die Straße erreicht hatten, hielt Maggan an und holte das Werkzeug aus dem Kofferraum. Mit der Zange gelang es ihr, das Armband von K-Delta X2s Handgelenk zu entfernen. Maggan warf es ins Gras. Was sollten sie jetzt machen? Sie würden sicherlich nach ihnen suchen und auch auf den Geda n ken kommen, dass Maggan etwas mit K-Delta X2s Verschwinden zu tun ha t te. Schließlich war es ihr Klon und Harry hatte in ihrer Abteilung gearbeitet. Sie würden eins und eins zusammenzählen und bei ihr au f tauchen. Maggan musste sich mit K-Delta X2 irgendwo verstecken.
War es falsch, sie mitzunehmen? Aber sie war doch ein Mensch. Maggan konnte sie doch nicht in diesem Gefängnis lassen, wo sie wie eine Ware lebte. Ein lebendes Ersatzteillager! Ihr Ersatzteill a ger!
Maggan konnte sich jetzt einreden, dass sie so etwas nie wollte, und selbst wenn sie diese Möglichkeiten der Wissenschaft gekannt hätte, nie gewollt hä t te. Doch sie war sich verdammt bewusst, wie nötig sie es gehabt hatte, sonst wäre sie jetzt tot. In welchem Verhältnis standen sie zueinander? Sie und Es? Orig i nal und Kopie? Irgendwie waren sie miteinander verwandt, so eine Art Schwestern. Oh Gott, wie viele von ihrer Sorte lebten wohl noch in diesem gigantischen Ko m plex? Wie viele Menschen leisteten sich hier ihr Ersatzteillager? Ihre Lebensverlängerung? Was für Argumente könnte sie hervorbringen, einem Ste r benden zu erklären, dass es nicht rechtens ist auf diese Art sein Leben zu verlängern? Maggans Gedanken vermischten sich mit ihren Schuldgefühlen und ohnmächt i ger Wut gegenüber dieser Firma. Sie versuchte an etwas anderes zu denken, doch da war nur das Bild eines jungen blonden Mannes in ihr.
Harry
Harry erwachte aus einem schwarzen Loch und fiel gleich in das gleißende Licht eines Doppelsterns. Es war ein OP-Scheinwerfer, der ihn blendete. Er versuchte sich zu bewegen, doch seine Hand- und Fußgelenke waren an den OP-Tisch gefesselt. Panik durchfuhr ihn. Er ruckte an den Fesseln – ohne
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