Die Maggan-Kopie
übte in Gedanken die Sätze, die er Dr. Wong sagen könnte, um den Vorfall so zu erklären, dass er möglichst nicht als Versager dastand. Wongs Jähzorn war ihm wohl bekannt. Und er sollte recht b e kommen.
Dr. Wong packte gerade seine Sachen zusammen und wollte nach Hause fahren. Er war seit sec h sunddreißig Stunden auf den Beinen und brauchte nun etwas Schlaf. Das machte ihn noch reizbarer als sonst. Das Büro war nur spärlich b e leuchtet, als es klopfte.
„Was gibt es denn noch?“, rief er der verschlossenen Tür entgegen, ohne von seinem Stapel Papiere aufzublicken, den er gerade in seinem Aktenkoffer versta u te.
Mark öffnete vorsichtig die Tür. Er hielt sich immer noch die Wunde an seinem Kopf mit der Hand zu. Es hatte zwar aufgehört zu bluten, doch die Kop f schmerzen waren so stark geworden, dass er meinte, sein Schädel würde jeden Moment zerspringen.
„Dr. Wong?“ Der Asiate schaute kurz und desinteressiert hoch, dann machte er sich wieder an seinen Unterlagen zu schaffen. „Es gibt ein Pro b lem.“
„Ach ja?“
Mark schluckte. Dr. Wong wurde stutzig, als sein Gegenüber nicht weitersprach und schaute ihn an. Seine Stirn lag in Falten.
„Sind Sie verletzt? Gab es einen Unfall?“ Er hörte sich wenig besorgt an.
„Ja, ich bin verletzt. Ich wurde ...“
„Na, was denn nun! Ich möchte nach Hause!“ Dr. Wong wurde langsam ungeha l ten.
„Ich wurde niedergeschlagen. Jemand hat eine der K2s gestohlen.“
Nun war es endlich raus, aber die plötzlich eintretende Stille war beängst i gend. Dr. Wong starrte Mark Fichtler nur ungläubig an. Er war nahe dran seinen Aktenkoffer seinem Gegenüber ins Gesicht zu schleudern, doch er beherrschte sich. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und starrte einige Seku n den vor sich hin.
Dann zog er das Telefon aus der Brusttasche, suchte eine Nummer im Spe i cher und lauschte dem Ton im Hörer. Er wartete, bis jemand am and e ren Ende abnahm. Es dauerte einige Zeit, schließlich war es mitten in der Nacht.
„Wir haben einen Code drei“, sagte er ruhig in den Hörer. Irgendjemand an t wortete etwas am anderen Ende.
„Gut, sieben Uhr im Besprechungsraum. Ich werde meine Leute zusammentrommeln. Ach ja, noch eins: Die Sache mit Harry Stampton ist schiefg e laufen. Tut mir leid, Boss, aber die Daten sind trotzdem wichtig. Es war nicht umsonst.“
Nach Norden
Maggan fuhr mit K-Delta X2 die ganze Nacht Richtung Norden. Sie mied die größeren Straßen und die Ortschaften. Sie nutzte die kleinsten Wald- und Fel d wege. Deshalb kamen sie nur sehr langsam voran. Doch das war gut so, denn dann waren sie für die Satelliten unsichtbar, die erst bei bestimmten Geschwindigkeiten aktiv wurden. Als im Osten der Himmel einen silbernen Streifen b e kam, bog Maggan in einen fast zugewachsenen Feldweg ab. Sie konnte die Augen nicht mehr offen halten. Ein, zwei Stunden mus s te sie schlafen.
K-Delta X2 war inzwischen eingeschlafen und hockte zusammengesu n ken auf dem Beifahrersitz. Zur Sicherheit schaltete Maggan die Zentralverriegelung ein und betätigte dann die Schalter, welche die Rückenlehnen ihrer Sitze in eine wa a gerechte Position brachten. K-Delta X2 merkte es nicht und wachte auch nicht auf, als Maggan sie abgurtete und sie mit einer Decke zudeckte. Dann sank sie selbst auf dem Fahrersitz zusammen und glitt in tiefen Schlaf.
„Feuer! Feuer! Es brennt!“, kreischte eine Stimme aufgeregt und Hände rüttelten an ihren Schultern. Maggan erwachte. Schlaftrunken öffnete sie die Augen und erschreckte sich über ihr eigenes Ich, das sich über sie beugte. Der Schreck ließ sie hochfahren. Das andere Ich deutete aufgeregt auf den östlichen H o rizont, der sich in Blutrot und goldenes Orange gefärbt hatte.
Die goldene Kugel der Sonne war erst zur Hälfte über die Wipfel der Bäume des entfernten Waldes gestiegen. Davor lag ein See in dessen glatter Wasserobe r fläche sich der brennende Himmel spiegelte. Zwischen ihnen und dem See lag eine sumpfige Wiese mit gelben Grasbüscheln und zwei Rehen, die friedlich ästen. Diese Idylle wurde nur durch das aufgeregte Schreien von K-Delta X2 g e stört.
„Das ist nur die Sonne“, sagte Maggan in möglichst ruhigem Ton. Denn wenn sie so unsanft geweckt wurde, war sie meistens schlecht gelaunt. Doch Maggan versuchte sich zu beherrschen und Geduld au f zubringen. Schließlich hatte K-Delta X2 noch niemals in ihrem Leben die Sonne gesehen.
„Die So n ne?“, fragte sie.
„Ja, die Sonne. In
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