Die Maggan-Kopie
nichts auf seinen Anzug oder seine hochpolierten Schuhe zu beko m men.
„Tut mir leid“, grinste Kenny matt. „Entzug. Ich bin Dr. Wong richtig dankbar, dass ich diese Pillen endlich los bin. Das kannst du ihm von mir beste l len.“
„Ja, mach ich. Aber zuerst solltest du mal duschen und diesen Schweinestall hier sauber machen. Es stinkt zum Himmel.“ Kenny beobachtete Bill, wie er u n schlüssig in der Tür stand. Er versuchte noch einmal einen Löffel voll von dem Essen in seinen Magen zu b e fördern. Diesmal blieb es drin.
„Was erwartest du von mir? Soll ich dich anflehen mich zu befreien?“ Kenny b e kam langsam Wut auf Bill.
„Das würde nichts ändern“, antwortete Bill.
„Eben drum.“
Bill schloss die Gittertür von außen zu. „Ich werde Chuck mit einem Wasserschlauch herschicken“, sagte er durch die Maschen des Gitterg e flechts.
„Tu das.“ Er hatte Bill nichts mehr zu sagen. Vielleicht konnte man Loyalität erkaufen, Freundschaft jedoch nicht.
Sebastian
Die Sonne stand noch tief, strahlte aber als gleißender Stern durch die Blätter des Birkengebüschs. Maggan blinzelte irritiert in das Licht. Sie wollte sich bewegen, musste jedoch feststellen, dass sie an Hä n den und Füßen gefesselt war. Ihre Handgelenke waren auf dem Rücken zusammengebunden und schmerzten. Doch schlimmer noch waren die Schmerzen im Kopf.
„Bist du wach?“, flüsterte eine Stimme. Es war Svenja.
„Ja“, murmelte Maggan und versuchte sich auf die andere Seite zu rollen. Nach einigen Anstrengungen schaffte sie es schließlich. Neben ihr lag Svenja. Sie war genauso verschnürt.
„Ich hatte schon Angst, dass du tot bist“, flüsterte Sve n ja.
„Mir geht’s ganz gut – nur Kopfschmerzen“, entgegnete Maggan. Ihre A u gen suchten die Umgebung ab. Hinter einem Felsen entdeckte sie einen Mann – sie entschied sich wenigstens dafür, dass es einer war. Es war eigentlich nur ein in Fetzen gehüllter Rücken, über dem lange braune Haare hingen. Sie wirkten strähnig und ungepflegt. Er schien etwas aus einer Dose zu essen. Als ob er Maggans Blick spüren kön n te, drehte er sich plötzlich zu ihr um. Maggan erschrak und stierte ihn mit offenem Mund über Svenja hinweg an. Der Mann sah grässlich entstellt aus. Seine linke Gesichtshälfte war bis zur Unkenntlichkeit von Geschwüren zerfre s sen.
Als er Maggans Blick begegnete, sah er ihr für eine Weile forschend in die Augen. Dann stand er auf und kam auf sie zu. Maggan wäre am liebsten vor diesem Monstrum davongelaufen, doch sie konnte sich nicht bewegen. Der Mann baute sich vor ihr auf. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und packte sie mit einer Hand an ihrer Jacke. Maggan schloss die Augen.
„Was glotzt du mich so an? Hast du noch nie einen Outländer gesehen?“ Mit diesen Worten riss er sie auf die Beine.
„Tun Sie uns nichts!“, schrie Svenja en t setzt.
Der Mann begann zu lachen und zog ein Messer hervor. Svenja begann zu schreien und Maggan blic k te ihm entsetzt in die Augen. Es waren freundliche Augen. Seine noch gesunde Gesichtshälfte lächelte sie an. Die Klinge ze r schnitt ihr die Fesseln an den Händen und an den Füßen. Dann befreite er auch Svenja von den Stofffetzen und Stricken, die ihre Arme und Beine fixierten. Maggan empfand Abscheu vor diesen Geschwüren und sein Geruch war auch nicht gerade einl a dend. Er erinnerte sie an „Das Phantom der Oper“. Sie versuchte auf Distanz zu bleiben, aber der Mann trat ganz dicht an sie heran und blickte ihr in die A u gen.
„Was wollt ihr hier in dieser Gegend?“, fragte er eindringlich. Maggan trat wieder einen Schritt von ihm weg.
„Was willst du denn hier?“, fragte sie trotzig z u rück.
„Wir leben hier“, kam die Antwort von hinten. Die zwei Frauen drehten sich erschrocken um. Hinter ihnen standen noch zwei Männer. Der Spr e cher war wesentlich älter als die anderen beiden. Sein lichtes graues Haar hing in langen Strähnen über seine Schultern. Seine Hände sahen genauso schrecklich aus wie sein G e sicht. Der andere Mann war der Jüngste von den Dreien. Er wirkte fast wie ein Schuljunge. Seine Augen musterten sie mit Argwohn. Auch er hatte Geschwüre im G e sicht, die aber noch nicht so weit fortgeschritten waren, wie bei den anderen.
„Unser Anblick erschreckt euch? Nun, das ist ein Geschenk dieser grandiosen N a turlandschaft“, sagte der Alte.
„Ich glaube nicht, dass diese Landschaft daran schuld ist, sondern diejen i gen, die es zuließen,
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