Die Magie Des Herrschers
Unbekannten an sich genommen werden.« Nun lehnte er sich zu seinem Berater hinüber. »Wenn die letzten vier Klingen, die im Besitz der Ritter sind, ebenfalls dem Kontinent verloren gehen sollten oder ihren Besitzern etwas zustößt, werde ich all die zu einer Unterredung bitten, von denen ich glaube, dass sie am ehesten vom Verlust der kostbaren Waffen profitieren. Im Übrigen erwarte ich, dass die bereits gestohlenen Klingen ganz schnell wieder auftauchen. Haben wir uns verstanden, Mortva?«
Der verstimmte Berater erwiderte nichts. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, zu unvermittelt konfrontierte ihn sein Herr mit der Drohung.
Die Musik endete, der erste Akt war vorüber.
»Haben wir uns verstanden?«, hallte die nachdrückliche Frage des Kabcar durch die Stille des Opernhauses. Seine Augen leuchteten im Zwielicht.
Alle Köpfe ruckten herum, die Aufmerksamkeit richtete sich auf die schwer einsehbare Loge des Herrschers. Ein allgemeines Gemurmel entstand, Fächer klappten hier und da auf, hinter denen sofort Ansichten und Spekulationen ausgetauscht wurden.
Einer der Diener, die vor der Tür warteten, vernahm den Ruf ebenfalls und reagierte, indem er mit einer hastigen Verbeugung eintrat und die Vorhänge der Loge schloss, um die Männer den Augen der Besucher diskret zu entziehen.
»Ja, Hoher Herr.« Nesreca erhob sich und verneigte sich widerwillig. Die Spannung zwischen den beiden Männern war greifbar, und der Diener wich bis an den Rand des Raumes zurück. »Verzeiht meinen raschen Aufbruch, aber ich habe dem hoheitlichen Tadc versprochen, noch bei ihm vorbeizuschauen, bevor er zu Bett geht.« Fluchtartig stürzte der Mann mit den silbernen Haaren hinaus.
Es sieht so aus, als hätte Nerestro mit seiner Einschätzung die Wahrheit mehr getroffen, als mir lieb ist, seufzte Lodrik und sank im Sessel in sich zusammen. Ich hätte nicht so deutlich zeigen dürfen, dass ich etwas weiß.
Niemals im Leben hatte er sich, umringt von Tausenden von Menschen, ähnlich allein gefühlt wie in diesem Augenblick. Er würde sich nicht einmal auf seine Kinder verlassen können, mit Ausnahme vielleicht von Krutor. Govan und Zvatochna aber standen vermutlich auf der Seite des Mannes, den er einst gerufen hatte, um sich gegen seine Feinde durchsetzen zu können. Jetzt würde er wohl bald gegen ihn antreten müssen. Denn Ulldart, sein Ulldart, denen zu überlassen, die für das Schlechte einstanden, allen voran Sinured und seine Soldaten, brachte er nicht übers Herz.
Der zweite Akt begann, und auf ein müdes Zeichen des Kabcar hin öffnete der Diener die Vorhänge und goss ihm von dem bereit stehenden Sekt ein, bevor er sich aus der Loge zurückzog.
Das Kinn auf das Geländer gelegt, verfolgte Lodrik die Ereignisse auf der Bühne, die nichts anderes darstellten als die künstlerische Umsetzung seines Lebens bis zum Zeitpunkt seiner Inthronisation. Zu Lebzeiten bereits der Mittelpunkt einer solchen Aufführung zu sein befremdete ihn ein wenig.
Ohne wirklich auf die Schönheit des Gesangs und die Perfektion der Tänze zu achten, hing er seinen Gedanken nach. Es bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten, für den Großmeister gelogen zu haben, hatte ihm Nerestro doch in dem Schreiben mitgeteilt, dass er einen neuen Knappen in seine Dienste genommen habe. »Einen jungen, wenn auch ungestümen Mann, der einmal der beste Reiter des Landes sein wird und die blauesten Augen hat, wie ich sie bisher nur zweimal in meinem Leben gesehen habe …« Lodrik hatte die Botschaft des Ordenskriegers sogleich verstanden. Tokaro lebte noch und hatte Unterschlupf bei demjenigen gefunden, der ihn von Anfang an in seine Lehre hatte nehmen wollen.
Natürlich könnte er die Invasion Kensustrias jederzeit befehlen. Er hatte seinem Konsultanten absichtlich verschwiegen, dass seine Dokumente so weit hergerichtet waren und er die Umwandlung des Kontinents vom Ablauf her in Angriff nehmen könnte. Doch er spürte, dass die Eroberung der Grünhaare den Endpunkt einer Entwicklung markierte, deren Ausgang er noch nicht einschätzen konnte.
Der Ausbruch seiner Gemahlin Aljascha aus der jahrelangen Maskerade einer liebenden Gattin trieb sein Misstrauen gegen die, die ihm nahe standen, ins Unendliche. Mit Sicherheit gehörte Mortva zu denen, die der Kabcara als Erste gratuliert hätten, wäre ihr Plan in Erfüllung gegangen. Sein Vertrauen in den rätselhaften Mann, das schon früher erschüttert worden war, war nun vollständig vergangen.
Was nun? Woher
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