Die Magie Des Herrschers
etwas formen konnte, das mit ihr freiwillig zusammenarbeitete. Ein anderes Bild entstand in ihrem Kopf. Es wird wie beim Streicheln eines Fells sein, sinnierte sie und glitt mit den Fingern über den Teppich zu ihren Füßen. Gegen den Strich empfindet es das Tier als unangenehm, aber achte ich auf die Wuchsrichtung, hält es still und genießt die Berührung.
Ein Tier zeigte allerdings unmissverständlich, was es mochte und was nicht. Nun galt es, auf die noch so geringsten Hinweise der Kräfte zu achten, die mit ihr auf rätselhafte Art und Weise verwoben waren.
Eilig betrat sie den Versuchsraum, legte das Stück Holz in die Mitte und konzentrierte sich.
Das Blau um ihre Hand verstärkte sich wie immer. In Gedanken versuchte sie, weniger befehlend, sondern freundlich bittend mit ihren Kräften umzugehen.
Zuerst änderte sich nichts, das magische Leuchten schimmerte auf, ein einzelner, dünner Strang schnellte hervor und fasste das Holzstück, um es in Soschas Hand zu befördern.
Aber im Gegensatz zu dem üblichen Vorgang, bei dem sie meist nur ein Kribbeln spürte, stellte sich nun ein sehr angenehmes Gefühl ein, so als führte die Energie ihre Aufgabe mit Freude aus und ließe die Ulsarin dies auch spüren.
Doch der Augenblick war zu schnell wieder verflogen, als dass sich Soscha sicher sein konnte. Dennoch glaubte sie sich in ihrer Annahme bestätigt, es bei der Magie mit etwas zu tun zu haben, das weit mehr war als ein simples Werkzeug einiger Privilegierter.
Nachdenklich betrachtete sie das dunkle Blau, in dem sie sachte schimmerte. Ihre Zuversicht, mit dieser besonderen Macht doch noch vertrauter zu werden, wuchs. Und sie würde sicherlich nicht so lange benötigen wie Tobáar und sein Gefolge.
Sehr zufrieden begab sie sich in ihr Schlafzimmer, um sich für den kommenden Tag auszuruhen.
Die Angst vor der Magie, die sie in den letzten Tagen und Wochen verspürt hatte, war einem gewissen Respekt gewichen. Soscha verstand nun, dass sie es nicht mit einem Feind zu tun hatte, der nur darauf wartete, dass sie in ihren Versuchen einen Fehler beging.
»Ich werde dir nicht meinen Willen aufzwingen, und du wirst mich weder älter machen noch umbringen«, sagte sie halblaut, während sie sich unter die dünnen Seidenlaken legte, als verstünde die Macht ihre Worte.
Es war ein enormer Vorteil gegenüber dem Kabcar und den Seinen, von der Schädlichkeit der Magie zu wissen, die sich offenbarte, wenn man ihr Gewalt antat. Vielleicht verweigert sie ja irgendwann ihren Dienst, wenn man sie über Gebühr benutzt und immer Stärkeres von ihr verlangt?, hoffte sie. Oder sie bringt den Anwender einfach um und befreit sich von dem Joch. Soscha hielt sich die Hände vor die Augen und betrachtete das marineblaue Leuchten versonnen. Schlaf gut, was auch immer du bist.
Ob es nun ein Trugbild war oder nicht, die junge Frau glaubte, so etwas wie ein Flimmern bemerkt zu haben, als wollte die unglaubliche Energie ihr auf diesem Weg antworten.
»Wie putzig. Da kommt der kleine Koloss von Meddohâr«, grinste Fiorell, als er Perdór die Stufen erklimmen sah. »Oder wäre ›Kloß‹ besser geeignet?«
Schnaufend lehnte sich der ilfaritische Herrscher gegen eine Säule, unfähig, etwas zu entgegnen, so sehr rang er nach Luft. Aber seine Gesten sprachen für sich.
In diesem Augenblick stürmte der Hofnarr auf die andere Seite und stemmte sich gegen den Pfeiler, als müsste er ihn vor dem Umstürzen bewahren. »Bringt die Frauen und Kinder weg. Ich kann ihn nicht mehr lange halten!«, sagte er gepresst und mit knallrotem Kopf. Sein Spiel war wie immer sehr glaubhaft.
Die umstehenden Kensustrianer bedachten den Mann mit irritierten Blicken und zogen sich aus der unmittelbaren Umgebung des längst stadtbekannten Duos zurück, als hätten die beiden eine ansteckende Krankheit.
»Hervorragend«, lobte Perdór ironisch. Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweißfilm von der Stirn. »Wieder ein Steinchen mehr im Mosaik, das am Tag unserer Abreise das Bild eines vollkommen idiotischen, peinlichen Herrschers mit seinem Spaßmacher hinterlassen wird.« Er reckte sich und nahm ein Fernglas, um einen Blick auf den Hafen zu werfen. Eine kleine Flotte machte sich zum Auslaufen bereit.
»Den Göttern sei Dank, ich habe Meddohâr vor dem sicheren Untergang bewahrt!« Fiorell ließ die Säule los, die zusammen mit achtzehn weiteren das steinerne Dach über dem Aussichtspunkt trug. Auf einem Berg gelegen und nur durch
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