Die Magie Des Herrschers
lange nicht mehr von ihm gewohnt war. Die Verunsicherung der kleinen Versammlung über seine Ausstrahlung genoss er.
»Wo ist Krutor?«, verlangte er zu wissen.
»Vater, er ließ ausrichten, ihm sei schlecht und er werde nachkommen, sobald sein Befinden sich bessert«, gab seine Tochter beflissen Auskunft.
Der Kabcar warf sich in seinen Sessel, sein Blick wanderte von einem zum anderen. »Wir werden es auch ohne seine Hilfe schaffen.«
»Was denn ›schaffen‹, Hoher Herr?« Nesreca nahm ebenfalls Platz. »Traurigerweise habt Ihr niemanden in Kenntnis gesetzt, was genau wir hier sollen. Es geht um die anberaumte Unterredung mit Sinured, vermute ich?«
Govan starrte ausdruckslos auf den Tisch, seine Gleichgültigkeit offen zur Schau stellend.
Zvatochna hingegen lächelte den Vater liebevoll an. »Was beabsichtigst du zu tun, Vater?«
Lodrik zog die Handschuhe fester und ballte die Rechte zur Faust. »Heute unternehme ich einige erste Schritte, die den Kontinent unweigerlich in eine neue Zeit führen werden«, eröffnete er. Dass sein Sohn mürrisch schnaubte, entging ihm nicht. »Sinured hat bei so vielen Gelegenheiten mein Vertrauen missbraucht, dass er eine Lehre verdient.«
Mortvas silberne Haare schimmerten auf, als wollten sie einen Geistesblitz nach außen sichtbar machen. Er neigte den Kopf ein wenig nach vorn, das graue und das grüne Auge flackerten. »Habt Ihr Euch diesen ›Schritt‹ sehr genau überlegt, Hoher Herr? Ihr wisst, dass mehr als die Hälfte unserer Truppen aus Tzulandriern besteht, die dem Kriegsfürsten treu ergeben sind?« Seine schmeichelnde Stimme nahm einen mahnenden Unterton an. »Ihr solltet die Lehre nicht zu streng ausfallen lassen, wenn Ihr versteht, was ich meine. Eine Rebellion innerhalb des eigenen Heeres niederzuschlagen kostet unnötig viele Ressourcen und stärkt nur unsere Feinde.«
»Danke, Vetter«, erwiderte der Herrscher lakonisch und machte keinerlei Anstalten, sich näher zu seinen Plänen zu äußern. Stattdessen nahm er seine Pistolen aus dem Gürtel und überprüfte sie mit routinierten Handgriffen.
Mortva blinzelte irritiert und wechselte einen schnellen Blick mit Zvatochna, Govan stierte weiterhin auf den Tisch. Langsam streckte er die Hand aus und schlürfte von dem aromatisierten Wasser, das sich in einem großen Pokal befand.
Der Konsultant holte Luft. »Haben die Gouverneure schon Anweisungen erhalten, dass sie ein wachsames Auge auf die Truppenteile in ihrer Nähe haben sollten? Wenn nicht, dann sollten wir …«
Lodriks Arm schnellte in die Höhe, Mortva verstummte. »Verehrter Vetter, entspannt Euch. Die Lage meines Reiches und seine Geschicke sollen von nun an Euer Ressort nicht mehr sein«, sagte er ruhig und vollführte eine Geste.
Einer der Leibwächter zog ein Dokument aus der Ledertasche und reichte es dem Herrscher.
Der Kabcar entrollte es und breitete es auf der Arbeitsfläche aus. Ein Diener brachte Tintenfass und Feder. Ausladend unterschrieb Lodrik und presste seinen Siegelring in die angehängte kleine Wachstafel. Anschließend schob er das Schriftstück schwungvoll über den Tisch, sodass es vor Mortva zum Liegen kam.
»Was ist das?«, wunderte sich der Mann mit den silbernen Haaren und drehte das Papier so, dass er es lesen konnte. Seine Augen wurden groß, als er die ersten Zeilen entzifferte.
»Euere Entlassungsurkunde, treuer Vetter und Konsultant«, antwortete Lodrik gelassen. »Ich benötige Eure …«, beinahe wäre ihm das Wort ›Einflüsterungen‹ entschlüpft, »Ratschläge nicht mehr. Echte Feinde habe ich keine mehr, die letzten Schlachten können meine Kinder führen, die von Euch unterrichtet wurden. Daher will ich Eure kostbare Zeit nicht länger verschwenden.« Voller Schadenfreude, dass ihm die erste Überrumpelung gelungen war, lachte er. »Ich habe Euch die Leitung der Universität in Berfor übertragen, wo Ihr doch so fleißig Militärgeschichte studiert habt. Ihr seid nun Dozent mit einem stattlichen Einkommen.« Er legte die Fingerspitzen zusammen und ließ seinen Berater, der fassungslos auf das Blatt starrte, nicht einen Lidschlag aus den Augen. »Ich dachte mir, dies wäre der günstigste Zeitpunkt. Vielleicht nimmt Euch Sinured mit, und Ihr vergeudet keinerlei Kräfte bei dem anstrengenden Marsch.«
»Das ist …«, stammelte Mortva, hob die Urkunde und klatschte mit dem Handrücken gegen das Papier.
»Sehr großzügig, ich weiß«, nickte der Kabcar, der sich an der ungewohnten Sprachlosigkeit
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