Die Magie Des Herrschers
Unfreundlich nahm er Lorin das Säckchen aus der Hand und prüfte einen der Eisenstifte. Zufrieden packte er ihn zurück. »Gute Arbeit, Akrar.«
»Die hat der Junge gemacht«, meinte der Schmied tonlos. »Er ist geschickt, wenn es um die Feinarbeit geht.«
Der Zimmermann wog die Nägel abschätzend in der Hand, dann steckte er sie ein. Grußlos stapfte er hinaus und kämpfte sich durch den Neuschnee, der knöchelhoch in den Gassen und Straßen von Bardhasdronda lag.
»Würde die Bleiche Göttin uns Fische ebenso großzügig wie dieses weiße Zeug aus den Wolken schicken, könnten wir ein Jahrhundert lang von Trockenfisch leben«, seufzte Akrar und fuhr Lorin mit der breiten, schwieligen Hand über den Kopf. »Hör nicht auf die Leute. Sie suchen einfach jemanden, dem sie die Schuld geben können.«
»Das sagt Arnarvaten auch«, meinte der Junge und ging hinüber zur Esse, um dem Farbenspiel der glühenden Kohlestücke zuzusehen. Für ihn wirkten sie, als wären sie und das Feuer, das sie entfachten, lebendig. »Aber sie werfen immer noch unsere Scheiben ein, sogar jetzt, nachdem wir in den Hafen umgezogen sind. Matuc traut sich schon gar nicht mehr, die Läden zu öffnen. Und Geld für neues Glas haben wir auch keines mehr.« Er betätigte den Blasebalg; mit einem Fauchen erwachten die kleinen Flammen zum Leben, eine Funkenwolke stob auf und tanzte den Schlot des Kamins empor.
»Den Menschen hängt der Magen in den Kniekehlen, da werden sie schnell ungerecht«, versuchte der Schmied das Verhalten seiner Landsleute zu erklären. »Aber wenn die neuen Getreidelieferungen ankommen, werden sie ganz schnell wieder friedlich, du wirst schon sehen.« Er reichte ihm ein langes Stück Eisen. »Komm, ich zeige dir, wie man ein Messer schmiedet. Man muss das richtige Gespür dafür haben, und so wie es aussieht, hast du mehr Begabung für die wirklich feinen Arbeiten.«
Unter Akrars Anleitung formte Lorin nach und nach ein recht akzeptables Schneidewerkzeug aus der Rohform. Danach setzte er sich an den Schleifstein, um dem Stahl die richtige Schärfe zu geben.
Stolz präsentierte er seinem Meister die vollbrachte Arbeit, und Akrar nickte anerkennend.
»Dein erstes Messer ist dir ordentlich gelungen, Lorin.« Er schaute dem eher schmächtigen Jungen in die blauen Augen. »Ich denke, du wärst ein viel besserer Schmuckmacher als ein Schmied. Die Feinarbeit liegt dir mehr. Zumal du – ohne es böse zu meinen – für den schweren Hammer wohl nicht unbedingt geschaffen bist.«
Das Gesicht seines Lehrlings wurde lang. »Dann tauge ich also nichts?«
»Doch, doch«, beeilte sich Akrar zu versichern. »Du wärst wahrscheinlich ein guter Schmied, aber du müsstest für die schweren Arbeiten wie das Beschlagen von Pferden immer einen Gehilfen haben.« Er klopfte dem Jungen auf die Schulter. »Natürlich kannst du weiter bei mir bleiben. Aber wenn du möchtest, höre ich mich um, ob einer der Gold- und Silberschmiede dich aufnehmen würde.«
»Ha, ja sicher, Akrar«, winkte Lorin ab. »Den kleinen Fremdländler, der den Kalisstra-Gamur getötet hat und schuld an allem Unglück ist, das in der Stadt geschieht, den wollen bestimmt alle in ihrer Werkstatt haben.«
Der Schmied musste lachen. »Sei nicht so schwarzseherisch. Und nun lauf nach Hause und zeige Matuc und Fatja das Messer.«
»Ja, gut. Bis morgen, Akrar.« Lorin warf sich die Winterjacke über und lief hinaus.
Er dachte nicht im Traum daran, auf das Hausboot zu gehen. Zuerst wollte er seinen neuen Strandsegler ausprobieren, den er zusammen mit Blafjoll gebaut hatte.
Das Gefährt war viel besser als das, welches ihm Byrgten zertrümmert hatte. Gerne hätte er es in einem Rennen gegen andere Jungs aufgenommen, aber niemand wollte ihn dabeihaben. Sein Ruf, allem und allen Unglück zu bringen, wurde in Bardhasdronda mittlerweile schon legendär.
Der Großteil des Hafens lag in einer Eisschicht gefangen; nur ein Stück der künstlich geschaffenen Bucht blieb befahrbar, und jeden Morgen sorgten der Hafenmeister und seine Angestellten dafür, dass es so blieb. Die Getreideschiffe, die vom Süden heraufkamen, benötigten Platz zum Anlegen.
Ansonsten wirkten die Piers seltsam verwaist. Die kleineren Kähne waren aus dem Wasser gehoben worden, und die langen Walfangboote lagen unter einer dicken Schicht Schnee begraben.
Die Fischer hatten nichts zu tun, außer in den Bootshäusern ihre Netze zu flicken und neue zu knüpfen, in der Hoffnung, die Bleiche Göttin werde
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