Die Magie Des Herrschers
von Windtrutz ganz Ilfaris erobert und umklammerten das verbliebene Kensustria nun von allen Seiten. Die Kämpfe würden verlustreich werden, aber am Ende bliebe den Grünhaaren nichts anderes übrig als die Kapitulation. Dann wird auch dort Gerechtigkeit herrschen. Keine Kasten mehr, wenn meine Pläne aufgehen.
Lodrik beabsichtigte, die Kensustrianer zu diesem Zweck auf dem gesamten Kontinent zu verteilen und sie mit der übrigen Bevölkerung zu vermischen; diese Maßnahme würde seiner Ansicht nach die letzten Kastenschranken spätestens nach zwei Generationen aufheben.
Kaum Verständnis hatte er für die Haltung der Aufständischen in der Provinz Karet und den Querulanten auf Rogogard. Sie mussten überzeugt werden, daran führte kein Weg vorbei. Die kommenden Jahre werden ihnen beweisen, dass ich niemals die Dunkle Zeit bringe. Oft musste er über diese Prophezeiung lachen; doch es war ein bitteres Lachen, denn die Weissagung hatte viel Blut in Ulldarts Erde versickern lassen. Das wird nie wieder geschehen, wenn ich meine Visionen umgesetzt habe. Wenn es jemand vollbringen kann, allen Menschen den währenden Frieden zu bringen, dann bin ich es.
Plötzlich blieb er stehen. Der Kabcar glaubte, ein leises Weinen gehört zu haben. Vorsichtig ging er vorwärts, darauf bedacht, seine Schuhsohlen leise aufzusetzen.
Am kleinen Teich saß eine Frauengestalt in einfacher Bedienstetenkleidung, den Oberkörper nach vorn gebeugt, das Gesicht in die Hände vergraben. Ihre Schultern bebten unter der Macht der Gefühle. Gebannt beobachtete Lodrik, wie eine glitzernde Träne von ihrer Hand perlte und auf die Oberfläche des Gewässers traf. So klein der Tropfen war, er schlug Wellen; kreisförmig breiteten sich die schwachen Schwingungen aus, ehe sie sich totliefen. Der Herrscher spürte Mitleid.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er sanft.
Erschrocken fuhr die Frau herum, und Lodrik erkannte zu seinem eigenen Erstaunen Dorja Balasy, die Mutter seines einstigen Rennreiters. »Verzeiht mir, hoheitlicher Kabcar, dass ich mich …«
Beschwichtigend hob er die Hand. »Es ist schon gut.« Er ahnte, weshalb sie sich in ihrer Trauer hierher geflüchtet hatte. Schweigend setzte er sich neben die Frau, die knapp vier Jahre älter war als er, und schaute auf das mit Seerosen bewachsene schwarze Wasser.
»Man erzählt sich, dass Euer einstiger Rittmeister ein Räuber geworden sei«, schluchzte sie leise. »Die Leute sagen, der Großmeister der Hohen Schwerter hätte ihn bei einem Überfall getötet.« Ihre geröteten Augen schauten ihn flehend von der Seite an. »Sagt, hoheitlicher Kabcar, ist es wahr?«
Lodrik musste schlucken, wandte sich aber Dorja nicht zu. »Es wurde mir berichtet. Ein Bote der Ordenskrieger hat meine Tochter, die dein Sohn zusammen mit der Bande überfallen hat, nach Ulsar begleitet und ausführlichen Bericht erstattet.« Seine Wangenmuskulatur arbeitete. »Er starb durch die aldoreelische Klinge des Großmeisters. Es war ein schneller, gnädiger Tod, der ihm am Strick nicht vergönnt gewesen wäre.«
Die Magd stöhnte auf und weinte bitterlich.
»Es hätte viel aus ihm werden können«, sagte der Kabcar nach einer Weile. »Aber er war ein Gesetzloser. Ein Dieb, ein Räuber.«
»Er hat den Armen immer einen Anteil zukommen lassen«, schniefte Dorja. »Hoheitlicher Kabcar, es ist kein Unrecht, diejenigen zu bestehlen, die sich einen Dreck um ihre Schutzbefohlenen kümmern. Und er hat niemals jemanden getötet.« Erneut trat ein Strom von Tränen aus ihren Augenwinkeln. »Es war nicht rechtens.«
Lodrik atmete schwer ein und legte zögernd eine Hand um die Schulter der Magd, die ihre Anstellung am Hof wieder angenommen hatte. »Ich wollte nicht, dass es so kommt. Seine Zukunft wäre wundervoll gewesen, wenn er diese unseligen Diebstähle nicht begangen hätte.« Wenn er seine unselige Halbschwester nicht getroffen hätte. »Aber ich konnte nicht anders, vor all den Leuten.«
Weinend warf sich Dorja an seine Brust, alle Standesunterschiede vergessend. Mit einem tiefen Seufzer schloss er sie in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Gemeinsam teilten sie den Schmerz.
»Was war denn das für eine rührende Szene vorhin?«, begrüßte ihn Aljascha, als er ins Arbeitszimmer zurückkehrte. Sie stand an seinem Schreibtisch und hielt einige seiner Aufzeichnungen, die sie wohl durchgesehen hatte, in ihren schlanken Händen. Wie immer saß ihr Kleid tadellos an ihrem Körper. »Der Kabcar und
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