Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
vorhatte, denn keine unserer Grenzen wurde von einem feindlichen Heer bedroht.« Grigán hielt inne.
Yan und Léti rutschten unruhig auf der Bank hin und her, bis Léti es nicht mehr aushielt.
»Und dann? Was geschah dann?«
»Ich hätte es gleich wissen müssen. Aleb hielt eine lange Rede und hetzte die Männer gegen Quesraba auf. Er erinnerte sie an die vergangenen Kriege, an den Verrat und Wortbruch unserer Feinde und an verlorene Schlachten, die gerächt werden mussten. Am Ende behauptete er gar, Quesraba sei eigentlich ein Teil unseres Königreichs, der von Feinden besetzt sei. Er vermischte Wahrheit und Lüge, erzählte traurige Geschichten und solche, die selbst einen romischen Schäfer in Rage gebracht hätten. Aber was er auch sagte, ist keine Entschuldigung für das, was dann geschah.«
Grigán verstummte und musste schlucken.
»Weiter!«, drängte Léti.
»Auf seinen Befehl hin zogen die Männer nach Quesraba, und ich war in der vordersten Reihe dabei. Bis zur Grenze brauchten wir einen Tag, doch die Wut und Angriffslust der Krieger ließen nicht nach. Aleb und seine ihm blind ergebenen Gefolgsleute schürten sie immer wieder von Neuem. Schließlich erreichten wir das erste Dorf. Ich gab meinen Reitern den Befehl, einen Bogen um die Siedlung zu schlagen, um weiter zur Hauptstadt zu ziehen, wo wir auf das feindliche Heer stoßen würden. So ist es Brauch. Doch Aleb der Verfluchte hatte anderes im Sinn.« Abermals trank Grigán einen großen Schluck. »Er blies zum Sturm auf das Dorf. In jener Nacht gab es Hunderte Tote. Die Bewohner waren noch nicht einmal bewaffnet. Sie wussten nichts von Kriegen oder Grenzen. Menschen wie ihr. Menschen wie …«
Er stockte. Dann sprach er weiter: »Und ich tat nichts, um ihnen Einhalt zu gebieten.«
Grigán starrte auf den Grund seines Bechers. Warum gelang es ihm nur nie, sich zu betrinken? Wie viel er auch trank, er blieb bei klarem Verstand. Stets blieb er für seine Taten verantwortlich.
»Ich hätte versuchen können, Aleb zur Vernunft zu bringen. Ich hätte versuchen können, die Krieger zur Vernunft zu bringen. Ich hätte sogar meinen Männern befehlen können, die Mörder anzugreifen. Doch ich habe nichts getan. Ich stand einfach da und sah den Gräueltaten zu, die vor meinen Augen verübt wurden. Ich sah, wie Kinder mit dem Krummschwert geköpft wurden, wie Alte bei lebendigem Leib in ihren Häusern verbrannten. Ich sah, wie Frauen vor den Augen ihrer sterbenden Männer vergewaltigt wurden, wie Tiere brutal gefoltert wurden. Und nicht nur das …«
»Grigán«, sagte Corenn leise, um der grauenhaften Aufzählung ein Ende zu setzen.
Er sah sie an und seufzte. »Es ist keine schöne Geschichte, ich weiß. Doch es ist nun einmal geschehen. Wenn ich daran denke, dass ich mich anfangs auch beinahe in die ›Schlacht‹ gestürzt hätte …« Er verstummte und senkte den Blick. Grigán weinte nicht, doch alle Traurigkeit und alles Leid der Welt schien auf seinen Schultern zu lasten.
Die Kaulaner schwiegen taktvoll. Niemandem war mehr danach, Fragen zu stellen, und dabei wäre es auch geblieben, wenn Grigán nicht von selbst weitergesprochen hätte. Seine Stimme klang jetzt fester.
»Anfangs habe ich noch nach den Feinden gesucht. ›Wo sind sie nur? Warum wurde zum Angriff geblasen? Ist das eine Falle?‹ Dann begann ich zu hoffen, es sei eine Falle. Die Ramgriths, meine Brüder, konnten doch nicht unschuldige Dorfbewohner massakrieren. Ich wollte nicht wahrhaben, dass all das grundlos geschah. Ich dachte, Krieger hätten sich in der Umgebung versteckt oder als Bauern verkleidet und Aleb hätte den Überfall nur befohlen, weil er den Hinterhalt gewittert hatte. Weil er ein guter Offizier war.
Die ganze Nacht lang klammerte ich mich an diese Hoffnung und verschloss die Augen vor dem Massaker. Erst im Morgengrauen gestand ich mir ein, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. Ich hatte meine Ehre und meine Menschlichkeit verloren. Ich floh von diesem verfluchten Ort und zog mich auf meine Ländereien zurück. Ich wollte mir das Leben nehmen und dachte darüber nach, wie ich es anstellen sollte.«
Yan und Léti sahen einander bestürzt an.
Grigán holte tief Luft. »Ich konnte es nicht. Selbstmord wäre nur ein weiterer Akt der Feigheit gewesen, aber weiterzuleben kam mir wie ein Eingeständnis von Schwäche vor. Eine Dekade lang quälte ich mich mit der Entscheidung.
Schließlich beschloss ich, dass es besser war, zu leben und gegen das Unrecht zu kämpfen,
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