Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
über andere Menschen. Sie macht dich vielmehr für sie verantwortlich.«
Yan nickte ernst, denn er nahm sich Corenns Ratschläge stets zu Herzen. Er war nicht mehr der junge, arglose Fischer aus einem kleinen kaulanischen Dorf, sondern hatte dem Tod ins Gesicht gesehen, mehrere Länder bereist und Abenteuer bestanden, die er sich vorher nicht hätte träumen lassen. Yan war schon immer ein kluger Kopf gewesen, doch jetzt nahm er eine uralte Weisheit in sich auf.
»Gut! Nun müssen wir nur noch einen Namen für dich finden. So will es der Brauch«, sagte Corenn fröhlich. »Was hältst du von Yan dem Neugierigen?«
»Mhm … Ich weiß nicht … Klingt das nicht ein bisschen negativ?«, erwiderte der junge Mann.
»Dann vielleicht Yan der Treue? Es ist Sitte, dass die Meisterin den Namen ihres Lehrlings auswählt, aber dir soll er natürlich auch gefallen.«
»Yan der Neugierige passt gut«, sagte er rasch, da sich ihm bei dem Gedanken, Yan der Treue genannt zu werden, der Magen umdrehte.
Er fragte sich, wo Corenn solche Ideen hernahm.
Manchmal wusste er einfach nicht, wann sie etwas ernst meinte und wann sie scherzte.
»Und jetzt gehen wir uns Zarbone vorstellen, Meister Yan der Neugierige. Das ist in unserer Zunft so üblich.«
Sie fanden den alten Mann bei den Tiergehegen. Er zeigte den anderen gerade seine Redostere und Goldböcke, der ganze Stolz seiner Sammlung. Léti hatte Mühe, Frosch zurückzuhalten, die unbedingt jedem Tier einen Besuch abstatten wollte. Die Zwergkatze führte sich so rebellisch auf, dass Léti überlegte, sie in Reyan umzutaufen.
»Meister Zarbone«, sagte Corenn und zog ihn beiseite. »Ich bin Corenn die Scharfsinnige, und mein junger Freund hier ist Yan der Neugierige. Wir beide sind Meister des Windes.«
»Sehr erfreut«, antwortete der Gouverneur und ließ sich auf das Spiel ein. »Ich bin Zarbone. Zarbone der Sammler, natürlich. Einst Meister des Windes. Aber das ist lange her.«
Sie begannen zu fachsimpeln und fielen bald hinter die anderen zurück. Yan strahlte vor Glück. Zum ersten Mal hatte er eine Lehre abgeschlossen. Er hatte eine besondere Gabe und gehörte zu einer Zunft.
Endlich hatte er Léti etwas zu bieten.
Die Erben wollten noch am selben Abend zur Heiligen Insel der Guori segeln. Zarbones Insel war ohnehin nur eine Etappe auf ihrer Reise, und sie wollten den alten Mann, der ihnen schon genug geholfen hatte - vor allem mit seiner Auskunft über den Tiefen Turm von Romin -, nicht noch länger in Gefahr bringen.
Lana beobachtete die Gefährten, während sie sich zum Aufbruch bereit machten. Sie hatten die Priesterin sofort als ihresgleichen akzeptiert. Natürlich war sie das auch, da Lana ebenfalls von einem Abgesandten der Insel Ji abstammte. Doch ihre Gefährten wurden von einem inneren Feuer angetrieben, einer gewissen Rohheit, die sie nicht zu besitzen glaubte. Fast beneidete sie sie darum.
Die Erben zu verlassen, kam nicht infrage. Zwar trugen sie Waffen und scherten sich nicht um die eurydische Moral, aber sie brauchte ihren Schutz und ihre Freundschaft.
Die Vorbereitung der Priesterin bestanden in einem langen Gebet, in dem sie der Göttin ihre Zweifel und Ängste anvertraute. Sie brachte ihre Gefährten in Gefahr, indem sie sie zu Usul führte. Lana bat Eurydis, über die Erben zu wachen und ihre Seelen zu retten, falls die Begegnung ein schlimmes Ende nahm. Sie flehte die Göttin inständig an, wenigstens die jüngeren der Gefährten zu beschützen.
Außerhalb der Tempel folgte das eurydische Gebet keinem bestimmten Ritual. Man konnte sich überall an die Göttin wenden, solange man es mit der nötigen Ehrerbietung tat. Lana beschränkte sich meist darauf, sich unter einen Baum zu setzen und die Augen zu schließen. Als sie die Augen diesmal aufschlug, sah sie überrascht, dass Léti neben ihr saß.
Die junge Frau bot einen seltsamen Anblick: Sie trug ihre Lederkluft, und an ihrem Gürtel hingen ein Rapier und ein Messer, doch sie flehte die Göttin mit ebensolcher Inbrunst wie Lana um Frieden an. Die Rohheit wohnt nicht im Herzen, sondern in der Erinnerung, dachte Lana. Léti hatte so viel Leid erlebt.
Sanft legte die Maz ihr eine Hand auf die Schulter. Léti stieß sie instinktiv fort, bevor sie merkte, von wem die Berührung kam.
»Verzeiht, ich … Ich dachte schon …«, stotterte sie.
»Schon gut«, sagte Lana, die ahnte, an welches schreckliche Ereignis sich Léti erinnert hatte. »Wir sind alle etwas angespannt. Ich wollte nur
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