Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
ihm trotzdem in jeder Hinsicht überlegen. Pen hielt vollkommen still, voller Schreck und voller Angst. Flucht oder Kampf kamen ihm gar nicht in den Sinn. Er schluckte heftig, schloss die Augen und ließ sich von der Katze untersuchen, wobei er ihren heißen Atem auf der Haut spürte.
Schließlich trat sie befriedigt zur Seite. Sie ging dorthin zurück, von wo sie gekommen war, drehte sich dann in die Richtung, in die sie gehen wollte, und verschwand ohne einen Blick über die Schulter zwischen den Bäumen. Pen und seine Gefährten standen noch eine Weile wie Statuen da und warteten auf ihre Rückkehr. Als deutlich wurde, dass die Katze nicht mehr auftauchen würde, seufzte Pen tief und blickte nacheinander Khyber und Tagwen an. Ihre Mienen spiegelten sicherlich die seine, eine Mischung aus Respekt und Erleichterung. Mit einer Hand strich er sich das wüste rötliche Haar zurück, das langsam nachwuchs, und stellte fest, dass er mit Schweiß bedeckt war.
»Auf eine Wiederholung dieses Erlebnisses lege ich keinen besonderen Wert«, meinte Tagwen und gab sich Mühe, das Zittern seiner Stimme zu verbergen.
Khyber blickte in die Richtung, in der die Moorkatze verschwunden war. »Wir müssen ebenfalls dort entlang«, stellte sie fest.
Pen nickte. »Ja.«
Tagwen starrte sie entsetzt an und richtete sich dann bedächtig auf. »Also gut. Aber vielleicht können wir vorher ein bisschen ausruhen.«
Und ehe die beiden anderen widersprechen konnten, hatte er sich schon gesetzt.
Neunundzwanzig
Den Rest des Nachmittags marschierten sie weiter und arbeiteten sich durch das Dickicht des Waldes und wieder durch Sumpfgebiet mit Schlammlöchern und Kanälen, durch Nebel, Dämmerung und Schatten. Drei Stunden hatten sie noch Licht, dann wurde es rasch dunkel. Trotzdem schleppten sie sich weiter, setzten einen Fuß vor den anderen und hielten einfach durch, obwohl es weitaus einfacher gewesen wäre aufzugeben.
Es war schon beinahe dunkel, als Khyber auffiel, dass der Boden sich anders anfühlte und die Luft nicht mehr feucht und nach verrottetem Gras und Laub roch. Abrupt blieb sie stehen, woraufhin Tagwen, der mit gesenktem Kopf hinter ihr ging, mit ihr zusammenprallte. Pen, der die Spitze der kleinen Kolonne bildete, hörte die Verwünschungen und darauf folgenden Entschuldigungen und drehte sich um.
»Wir haben die Schlacken hinter uns«, verkündete Khyber und konnte es immer noch nicht glauben. »Seht euch um. Wir sind draußen.«
Sie bestand darauf, für die Nacht Halt zu machen, da sie körperlich und seelisch vollkommen erschöpft war durch die Ereignisse der vergangenen Tage, so dass sie unbedingt Schlaf brauchte und es kaum schaffte, einen Fleck mit weichem Gras unter einigen Eichen zu finden, wo sie sich schließlich zur Ruhe legten. Ihre letzte Wahrnehmung war der Himmel, der zum ersten Mal seit langem wieder von Nebel und Wolken frei war und an dem klar und hell Mond und Sterne prangten.
In dieser Nacht träumte sie von ihrem Onkel, einer schattenhaften Gestalt, die ihr Worte, die sie nicht verstehen konnte, von einem Ort zurief, der für sie nicht zu erreichen war. Den ganzen Traum über versuchte sie, zu ihm zu gelangen und herauszufinden, was er sagte, doch das gelang ihr nicht. Die Traumwelt war schattenhaft und unbeständig, die Landschaft neblig und in ständiger Veränderung begriffen. Düstere Kreaturen umschwebten sie und Ähren und waren doch nie deutlich auszumachen. An diesem Ort wollte sie sich nicht aufhalten, und so war sie dankbar, als sie am nächsten Morgen bei schönstem Sonnenschein unter blauem Himmel erwachte. Pen war bereits auf und hatte gejagt. Das Feuer hatte sie aus dem Traum gerissen. Irgendwie hatte der Junge einen Hasen mit der Schlinge gefangen, den er jetzt häutete, dazu hatte er Wurzeln und Beeren gefunden. Zusammen mit dem frischen Wasser aus einem Bach bildete es das beste Mahl seit Jahren für Khyber, und anschließend fühlte sie sich wie ein neugeborener Mensch. Kurze Zeit später brachen sie nach Nordosten in das Hügelland auf, das vor dem Charnalgebirge lag, wo sie Taupo-Rough und den Maturen der Trolle, Kermadec, aufsuchen wollten. In diesen Teil der Welt hatte keiner von ihnen zuvor einen Fuß gesetzt, daher kannten sie lediglich die ungefähre Richtung, die sie einschlagen mussten. Taupo-Rough lag am Fuß der Berge nördlich der Schlacken. Also nahmen sie den Taschenkompass zu Hilfe und vertrauten darauf, dass ihnen früher oder später jemand begegnen würde, der
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