Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
in lebende Tote verwandelte, in Wesen ohne Willen, in Geschöpfe, die ausführten, was man ihnen auftrug. Schlimmer noch, der Zauberer zwang ihn, sich an diesen Gräueln zu beteiligen, indem er ihn die Männer unter falschem Vorwand zu ihm führen und ihn bei der Auslöschung ihres Geistes zusehen ließ. Nach diesen Ereignissen war Sen Dunsidan ein anderer Mann. Obwohl er zum Premierminister berufen wurde und in dieser Position große Macht anhäufte, fühlte er sich niemals sicher. Durch seine Komplizenschaft bei diesen Scheußlichkeiten hatte er sein Gefühl der Unbesiegbarkeit eingebüßt. Auch seine neue Stellung bot ihm keinen Trost. Diese armen Männer gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Seine eigene Verwundbarkeit wurde zur Besessenheit; der Zwang, sich zu schützen, beherrschte sein gesamtes Denken. Seine Emotionen, die schon durch frühere Verbrechen gelitten hatten, stumpften noch mehr ab. Sein Herz verwandelte sich in Stein. Er hegte für niemanden außer sich selbst mehr Gefühle, und dabei handelte es sich überwiegend um Angst.
Im Laufe der Jahre geriet er immer mehr aus dem Gleichgewicht, eine Reaktion auf die Ängste, die er einfach nicht kontrollieren konnte.
Auch heute Nacht war es wieder einmal so weit.
Ungeduldig wartete er in seinem Lesesessel, der nicht zur Tür, sondern zur kahlen Wand gerichtet stand. Er hätte sich niemals träumen lassen, jemals diesen Ort aufzusuchen. Als Gast der Druiden, genauer gesagt: seiner einstigen Erzfeindin Grianne Ohmsford, hielt er sich in Paranor auf. Vor zwanzig Jahren, als sie von ihrer Luftschiffexpedition zurückkehrte, auf der sie die verlorene Magie einer vergangenen Zeit zu entdecken hoffte, hatte er schon seinen eigenen Tod vor Augen gesehen. Seinen Verbündeten, den Morgawr, hatte sie vernichtet, und gewiss hatte sie begriffen, dass Dunsidan ihn mit den Föderationsschiffen ausgerüstet hatte. Wäre sie noch die Ilse-Hexe gewesen, wäre nicht während dieser Reise irgendetwas vorgefallen, hätte sie ihn sofort umgebracht. Stattdessen ignorierte sie ihn und zog sich nach Paranor zurück, wo sie sich in den Schatten verstorbener Druiden eingrub.
Zuerst hatte er angenommen, sie treibe lediglich ein Spiel mit ihm, und stoisch erwartete er jeden Moment das Unvermeidliche. Nach einer Weile hörte er die Gerüchte um den neuen Druidenorden und eine Ard Rhys, die ihn anführte. Die Ilse-Hexe habe ihren Namen abgelegt und ihrer Vergangenheit abgeschworen, hieß es, sie sei nicht mehr die Gleiche, die sie einst gewesen war. Dieses Gerede konnte einfach nicht wahr sein. Aber als Männer und Frauen aller Rassen nach Paranor gingen, um dort einen Platz im Dritten Druidenrat einzunehmen, geriet er ins Grübeln.
Und dann geschah das Unglaubliche. Sie lud ihn zu einem Treffen auf neutralem Boden ein, um über ihr Verhältnis zueinander zu sprechen. Er sah keinen Grund, die Einladung auszuschlagen. Wenn sie ihn beseitigen wollte, würde er dem nicht entgehen können, ob er sich nun auf seinem Anwesen in Arishaig oder sonst wo in den Vier Ländern versteckte. Zu seinem Erstaunen erklärte sie ihm, die Vergangenheit liege hinter ihnen, und es sei an der Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Solche Vereinbarungen wie früher werde es nicht mehr geben, aber auch keine gegenseitigen Schuldzuweisungen deswegen. Stattdessen strebe sie gute Verbindungen zwischen Paranor und der Föderation an, um gemeinsam Ideen für die Lösung von Problemen zu suchen, die beide Seiten betrafen - wie zum Beispiel der Prekkendorranische Krieg. Sie würde ihm als neuem Premierminister alle Hilfe gewähren und ihm Wissen vermitteln, das seinem Volk nützlich sei. Im Austausch dafür sollte er Glaubwürdigkeit und Wirkung der Druiden in den Vier Ländern unterstützen.
Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich an dieses neue Verhältnis gewöhnt hatte, doch am Ende gab ihm dieses Angebot jenes Leben zurück, das er schon verloren geglaubt hatte, und daher ging er darauf ein. Über die Jahre hinweg traf man sich häufig, entweder in Paranor bei ihr oder in Arishaig bei ihm. So kam es zu Gesprächen und Vereinbarungen, und alles in allem waren sie recht gut miteinander ausgekommen.
Was ihn jedoch nie davon abhielt, eine Möglichkeit zu suchen, sie zu ermorden. Diesen Gedanken bekam er einfach nicht aus dem Kopf. Wer auch immer sie zu sein behauptete, die Ilse-Hexe oder die Ard Rhys, sie war zu gefährlich, und deshalb durfte man sie nicht am Leben lassen. Nichts hinderte sie daran, sich in
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