Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
leuchtendem Orange und mit schwarzem Schnabel und schwarzen Flügelspitzen flog vorbei. Seine Schönheit lenkte sie ab, die Konzentration ließ nach, das Blatt taumelte zu Boden und blieb liegen. Ihr Onkel trat neben sie und legte ihr die Hand auf die Schultern. »Er war wunderschön, nicht wahr? So ein herrliches Orange.«
Sie nickte, wütend und enttäuscht über sich selbst. »Ich werde es niemals lernen, wenn ich mich ständig von hübschen Vögeln ablenken lasse!«
»Das Leben wird dir keinen Spaß machen, wenn du es unterdrückst.« Er stellte sich vor sie. »Geh nicht so hart mit dir ins Gericht. Es braucht seine Zeit. Und Übung. Ich habe auch nicht alles auf einmal gelernt.« Sein Trost erfreute sie, und sie lächelte. In seinen schlanken, fast femininen Gesichtszügen, seinen klaren blauen Augen und seinem breiten Lächeln fand sie sich selbst wieder. Der Unterschied zwischen ihnen lag eher in der Farbe, sie war dunkel und geheimnisvoll, er hell und unkompliziert. Seine großen blonden Locken bildeten einen starken Kontrast zu ihrem zerzausten braunen Schopf. Im Vergleich zu seiner bleichen Haut wirkte ihre fast schwarz. Davon abgesehen hatten sie eine bemerkenswert ähnliche Persönlichkeit, beide waren von stiller Entschlossenheit und starken Gefühlen geprägt. Sie hatten beinahe die gleiche Größe, da sie im letzten Jahr einen Schuss gemacht hatte, und nun war sie bald erwachsen und im heiratsfähigen Alter, was ihr Bruder begrüßte, während sie den Gedanken verabscheute. Sicherlich begrüßte er es, wenn er sie vermählen konnte und endlich los war, aber deshalb gefiel ihr diese Aussicht noch lange nicht. Gewiss liebte sie ihren Bruder, aber sie waren so unterschiedlich. Wenn sie ehrlich war, so stand das Mitglied der Familie, das sie neben ihrer Mutter am meisten mochte, direkt vor ihr.
Niemand wollte das wahrhaben, weil ihr Onkel in Arborion nicht gern gesehen war. Über die Jahre hinweg hatte man ihn mehr und mehr als das schwarze Schaf betrachtet, dessentwegen sich die anderen schämten. Zu gern hätten sie ihn irgendwo weggesperrt, wenn er nur so dumm gewesen wäre, sich für ein Leben bei ihnen zu entscheiden, aber Ähren Elessedil hatte schon vor langer Zeit eine andere Wahl getroffen.
Er klopfte ihr auf die Schulter und blickte durch den Baldachin der Bäume zum Himmel. »Mittag. Sollen wir nicht ein wenig essen, ehe wir weitermachen? Man konzentriert sich besser, wenn der Magen nicht knurrt.« Und ihrer knurrte tatsächlich, wie ihr nun auffiel. Manchmal konnte sie es nicht mehr mit sich aushalten, als bestände sie nur aus Fehlern und unbeherrschbaren Trieben, die sie ständig behinderten.
Sie folgte ihm durch den Wald zurück zum Dorf, ging mit ihm im Gleichschritt und freute sich auf ein gemeinsames Essen und ein Gläschen Bier mit ihm. Sie unterhielt sich gern mit ihrem Onkel -redete einfach gern mit ihm. Er war so interessant und hatte in seinem Leben viele aufregende Dinge getan. Noch war er keine vierzig, und außer bei den Elfen wurde er überall als bedeutender Druide respektiert, der über große Macht verfügte. Die Ard Rhys selbst hielt ihn für unentbehrlich und hatte ihn schon häufig besucht, doch leider war Khyber bei diesen Gelegenheiten nicht zugegen gewesen. Ähren Elessedil hatte mit der Ard Rhys, ihrem Bruder Bek und etlichen anderen, deren Namen nun in den Legenden auftauchten, zur Besatzung der
Jerle Shannara
gehört. Als einer der wenigen Glücklichen hatte er die Reise überlebt. Ohne seine Hilfe wäre es der Ard Rhys vielleicht nicht gelungen, den Druidenrat in Paranor wieder aufzubauen. Die Unterstützung, die er Grianne Ohmsford zuteil werden ließ, hatte ihn seine Stellung am Hofe gekostet, hatte ihm Rügen und Verbannung von seinem Bruder, danach dem Sohn seines Bruders eingebracht. Weder das eine noch das andere hatte er Khybers Meinung nach verdient, doch stand sie mit dieser Ansicht allein auf weiter Flur und wurde von den männlichen Angehörigen des Hauses Elessedil mehr und mehr an den Rand gedrängt.
Nun, ihrem Onkel machte das alles nichts aus, denn er hatte seinem Leben einen Sinn gegeben. Er war zunächst mit den neuen Druiden nach Paranor gezogen und hatte die Druidenkünste mit der Ard Rhys studiert. Mit einer natürlichen Begabung für die Magie war er nicht gesegnet, seine Anwendung von Magie war früher auf die Elfensteine beschränkt gewesen, die er auf der Reise vor langen Jahren geborgen hatte. Aber er studierte eifrig und hatte eine
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