Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
werkelte von Zeit zu Zeit daran weiter, weil er angeblich die Arbeit mit den Händen erholsam fand. Ständig gab es hier etwas zu tun. Momentan erneuerte er das Dach, und dazu musste er die Schindeln von Hand herstellen, um die alten zu ersetzen. Das war anstrengend und zeitaufwändig, aber genau das schien er zu genießen.
Sie setzten sich draußen an einen kleinen Tisch in die Sonne, aßen Käse, Äpfel und Brot und spülten das alles mit kaltem Bier aus dem Keller hinunter. In Emberen schmeckte ihr das Essen stets besser als zu Hause. Das hatte mit der Gesellschaft zu tun und auch mit dem Leben im Dorf. In Emberen war sie einfach »Khyber« für alle, nicht »Prinzessin« oder »Hoheit«. Außer einer gewissen Höflichkeit und ein wenig Anstand erwartete man nichts von ihr. Sie war wie alle anderen, jedenfalls soweit das in einer Welt der Ungleichheiten möglich war. Natürlich unterschied sie sich durch ihre Druidenmagie, ebenso wie Ähren. Nun, nicht ganz so sehr wie Ähren, der in ihrer Anwendung wesentlich geübter war. Tatsache war jedoch, dass die Dorfbewohner den Gebrauch von Magie als ein Handwerk von großem Wert und voller Geheimnisse betrachteten, das letztendlich für sie von Nutzen war. Ihr Onkel hatte nie etwas getan, das sie von dieser Überzeugung abbrachte, und sie beabsichtigte, in seine Fußstapfen zu treten. Sie kannte die Geschichte der Magie in den Vier Ländern, innerhalb und außerhalb ihrer Familie. Allzu oft wurde erheblicher Schaden angerichtet, manchmal sogar unabsichtlich. Vielerorts misstraute man der Magie und fürchtete sie. Aber bei der Gründung des neuen Druidenrates hatte die Ard Rhys die Regel erlassen, dass nur Magie erlaubt sei, die mit Vorsicht und für gute Zwecke angewandt wurde. Trotz ihrer zwielichtigen Vergangenheit - oder vielleicht gerade deswegen - hatte sie dem Druidenorden diese Ausrichtung gegeben. Khyber hatte die Ergebnisse dieser Verpflichtung gesehen, bei Druiden, die ihren Dienst verrichteten wie ihr Onkel, der Paranor verlassen hatte und in die Vier Länder hinausgezogen war, um deren Menschen zu dienen. Die Auswirkung ihrer Anstrengungen war offensichtlich. Langsam und unaufhaltsam wurde die Anwendung elementarer Magie überall akzeptiert.
Schon bald würde sie den gleichen Weg beschreiten. In Paranor würde sie studieren und dann in den Vier Ländern ihre Fähigkeiten umsetzen. Sie war entschlossen, ihrem Leben einen anderen Sinn zu geben, als es ihre Familie beabsichtigte. Schließlich war es ihr eigenes Leben, nicht das der Familie. Sie würde dessen Gestaltung selbst in die Hände nehmen.
»Ich möchte heute Nachmittag wieder mit den Steinen arbeiten«, sagte sie, dachte plötzlich an etwas ganz anderes und spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
Eine der Lektionen bestand darin, Felsen durch Handauflegen und Gedankenkraft aufzubrechen, wozu man beides sehr präzise kombinieren musste. Bei dieser Technik führte die Vorstellung des Ergebnisses zu dessen Eintreten. Ein Druide brachte das so leicht zustande, als würde er Papier zwischen den Fingern zerreißen. Sie hatte diese Fertigkeit noch nicht erlangt, war jedoch dazu entschlossen.
»Das können wir machen«, stimmte er zu. »Wenn du mir schwörst, dass du mit deiner Anwesenheit hier kein Versprechen brichst, das du jemandem gegeben hast, und dass sich niemand wegen deiner Abwesenheit Sorgen macht.«
»Jedenfalls nicht über das übliche Maß hinaus. Ich habe noch eine Woche Zeit, ehe mein Bruder zurückkehrt und alles so vorfinden möchte wie bei seinem Aufbruch. Bis dahin bin ich wieder in Arborion.«
Aber nicht, ehe du mir sagst, was du über das weißt, was ich bei mir trage,
dachte sie bei sich selbst.
Mein Geheimnis momentan, aber ich werde es dir enthüllen, ehe ich abreise, und du wirst mir zeigen, wie ich es nutzen kann.
Bei dieser Aussicht begann ihr Herz zu klopfen. Sie war nicht sicher, wie er ihre Bitte aufnehmen würde - und auch nicht sicher, wie er auf das, was sie getan hatte, reagieren würde. Sie war ein großes Risiko eingegangen, allerdings hatte sie schon vor langer Zeit gelernt, dass man in einer königlichen Familie dann und wann Risiken eingehen musste, weil nie das erlaubt wurde, was man gerade wollte. Ihre Familie wollte sie vor allem behütet und fügsam sehen, und beides hatte sie nie werden wollen.
Daher überraschte es sie, dass man immer noch ernsthaft von ihr Gehorsam erwartete. In der Kindheit war sie der schlimmste Albtraum ihres Bruders gewesen.
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