Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
Platz.
Der Tag nahm seinen Lauf, die Sonne kletterte am Gebirgshimmel aufwärts, doch nur wenig Licht drang zum Waldboden vor. Die Schatten hellten lediglich ein wenig auf, die Luft blieb kühl und frisch. In diesem Tal schien dauerhaftes Zwielicht zu herrschen, es mangelte an richtigem Tageslicht und der Sommerwärme. Der Wald erzeugte sein eigenes Klima, das eben genau diesem Tal entsprach. Hin und wieder stießen sie auf einen Weg. Schmal und kaum erkennbar wanden sich die Pfade zwischen den Bäumen und endeten abrupt, und nie deutete etwas darauf hin, dass sie zu einem Ziel führten. Kermadec folgte ihnen, so lange es ihm nützlich erschien, doch meistens führte er sie durch jene Lücken zwischen den Bäumen, die den leichtesten Durchlass gewährten und wo man die Umgebung am besten beobachten konnte. Er schien nicht sonderlich besorgt, dass sich Wesen vor ihnen verbargen, und er verbrachte nicht viel Zeit damit, die tief schattigen Bereiche zu durchsuchen. Vielleicht glaubte er, aufgrund seiner Übung und seiner Erfahrung würde er lauernde Gefahren spüren. Oder er dachte, an einem so alten und geheimnisvollen Ort wie diesem könne man sowieso nicht viel tun, um sich zu schützen.
Obwohl Pen die Umgebung ständig erkundete, fand er nichts Beunruhigendes. Zwar wirkte der Wald gelegentlich düster und bedrohlich, doch nie offenbarte sich etwas Gefährliches. Am zweiten Tag jedoch sah die Sache ein wenig anders aus. In der Nacht zuvor hatten sie sich ein Feuer und warmes Essen gegönnt, beides zum ersten Mal seit einer Woche. Sie hatten würziges Bier aus den Schläuchen getrunken, welche die Trolle mitschleppten, und schliefen ungestört die ganze Nacht. Ausgeruht waren sie in der Dämmerung aufgebrochen. Der Tag ähnelte stark dem ersten; der Himmel war bewölkt, das Licht bleicher, aber der Wald des Inkrims wirkte unverändert. Dennoch spürte Pen einen Unterschied, eine subtile Andersartigkeit, die sich zunächst nicht auf eine Quelle zurückführen ließ. Erst nachdem sie eine Weile lang gewandert waren, fiel ihm auf, dass die Geräusche des Waldes leiser wurden, der Wind schwächer und die Luft sich erwärmt hatte. Sogar diese Veränderungen schienen nicht die Auslöser des Problems zu sein, stattdessen plagte ihn die nagende Gewissheit, dass er etwas vermisste.
»Kommt dir alles ganz normal vor?«, fragte er schließlich Cinnaminson.
»Du spürst sie auch, ja?«, gab sie sofort zurück. Sie ging dicht hinter ihm.
Er starrte sie an, dann blickte er sich rasch um und suchte die Schatten des Waldes ab, das gesprenkelte Schwarz und Grün der Bäume und Gräser, der Äste und Blätter. »Ist hier jemand?« »In den Bäumen. Versteckt. Beobachtet. Mehr als einer.« Er seufzte nervös. »Ich spüre sie, aber ich wusste nicht, was sie sind. Wie lange sind sie schon da?«
»Seit wir aufgebrochen sind. Sie müssen uns im Laufe der Nacht gefunden haben.« Sie strich sich eine Strähne des honigblonden Haars zurück. »Zuerst habe ich sie für die Geister der Luft gehalten, die von letzter Nacht. Aber diese Wesen sind aus Fleisch und Blut.« Sie zögerte. »Die verfolgen uns.«
Pen nahm ihre Hand und drückte sie. Sein Blick schweifte in die Bäume. »Warte hier. Ich werde es Kermadec sagen.«
Aber Kermadec wusste schon Bescheid. »Urdas«, erklärte er im Flüsterton, nachdem er sich zu Pen heruntergebeugt hatte. »Nicht viele, doch genug, um uns im Blick zu behalten, ohne sich selbst zu zeigen. Sie lösen sich gegenseitig ab, kleine Gruppen. Eine beobachtet uns jeweils, während die andere nach vorn läuft und uns eine dritte von hinten einschließt, so dass wir ihnen nicht entkommen können.«
Pen spürte, wie sein Herz schneller schlug. »Was wollen sie?« Der Maturen blickte sich rasch um. Sein rindenartiges Gesicht ließ ihn wie ein Baum aussehen. »Sie wollen wissen, was wir hier tun. Deshalb werden sie uns begleiten, bis sie es erfahren haben.« Pen ließ sich zurückfallen und gesellte sich wieder zu Cinnaminson. »Er sagt, er weiß über sie Bescheid. Seiner Meinung nach beobachten sie uns nur.«
Die junge Fahrende lächelte. »Sie werden ebenfalls beobachtet.« Ihre blinden Augen suchten seine. »Die Geister der Luft sind nicht verschwunden. Sie sind immer noch dort draußen.«
Der Morgen nahm seinen Lauf, die Wolken wurden dichter und dunkler. Ein Sturm nahte, und er würde heftigen Regen mit sich bringen. Kermadec hielt nach einer geschützten Stelle Ausschau, doch gab es weder Höhlen noch
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