Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
Er hielt inne. »Dort unten wohnen viele von ihnen, Bruder.«
»Nicht genug, um uns aufzuhalten,
Bruder«,
erwiderte Atalan und betonte das letzte Wort auf eine Weise, die klar ausdrückte, wie er die Beziehung zwischen ihnen beurteilte. »Wir sind die Stärkeren, gleichgültig, wie wenige wir sind.«
In Kermadecs Blick zeigte sich Wut, und unter den Felstrollen erhob sich Gemurmel. »Du bist nie dort gewesen«, sagte der Maturen leise. »Ich schon. Es sind nicht nur Bäume und Erde. Und nicht nur Urdas. Diese Dunkelheit ist von einer anderen Art. Viele, die gedacht haben wie du, sind in dieser Düsternis verschollen. Wenn wir zu sorglos sind, könnten wir ebenso enden.«
»Dann werden wir eben vorsichtig sein, oder?«, meinte Atalan. Sein Blick schweifte von seinem Bruder zu Cinnaminson und Pen. »Glücklicherweise haben wir diese kleinen Leute als Hilfe bei uns. Ein blindes Mädchen, das trotzdem sehen kann, und ein Junge, der mit Flechten spricht. Wovor sollten wir uns fürchten?«
Er schob sich vor, stieg von dem Felsüberhang herunter und kümmerte sich nicht darum, wer ihm folgen würde. Kermadec schaute ihm einen Moment hinterher, dann sah er die anderen der Gruppe an und winkte sie voran.
Der Abstieg zum Inkrim fand ohne Zwischenfälle statt. Der Weg war nicht steil, nur schmal und gewunden, und manchmal musste sich selbst Pen, der zu den Kleinsten gehörte, dicht an die Felswand drücken. Das Zwielicht wurde trüber und trüber, und das Tal erwachte im Gegenzug mehr und mehr zum Leben. Vom Wechsel des Lichts zu Dunkelheit geweckt, begannen die Insekten zu summen und zu brummen. Nachtvögel stießen schrille Schreie und Rufe aus, während sie in schemenhaften Schwärmen durch die Luft segelten, und Pen hörte auch am Boden Tiere grunzen, von denen er manche kannte und andere nicht. Er lauschte aufmerksam, während er ging, und versuchte sie zu erkennen. Dabei suchte er nach vertrauten Lauten in der Kakofonie, entdeckte jedoch keine. Am Ende des Wegs errichtete die Gruppe ihr Lager in einem Tannenwäldchen. Obwohl sie die Talsohle erreicht hatten, befanden sie sich hier mehrere tausend Fuß über dem Meeresspiegel und waren von den Gipfeln des Klu-Gebirges umringt. Die Luft war klar und kalt und der Himmel mit Sternen übersät und von Mondlicht erhellt. Wie in den vergangenen Nächten erlaubte Kermadec kein Feuer. »Morgen«, versprach er. Bis dahin wären sie weit genug ins Territorium der Urdas eingedrungen, damit ein Feuer die Aufmerksamkeit der Druiden nicht auf sich lenkte oder jedenfalls niemandem, der nach ihnen suchte, ungewöhnlich erscheinen würde. Zwar riskierten sie, von den Urdas entdeckt zu werden, aber das taten sie schon, indem sie sich einfach an diesem Ort aufhielten. »Die Ruinen von Stridegate liegen tief im Tal, Pen«, erklärte er dem Jungen später, nachdem sie das Abendessen eingenommen hatten und allein am Rand des Lagers saßen. Sein kantiges Gesicht war unergründlich, doch mit den Augen blickte er ihn eindringlich an. »Zwei Tagesreisen wenigstens, und auch nur, wenn wir ein schnelleres Tempo vorlegen. Ich bin schon einmal hier im Tal gewesen, da habe ich sie gesehen. An den Anblick kann ich mich gut erinnern. Den vergisst man nicht so schnell.«
»Und die Insel?«, hakte Pen nach. »Auf der sich der Tanequil befindet?«
Khyber, Cinnaminson und Tagwen hatten bemerkt, dass sich die zwei unterhielten, und gesellten sich zu ihnen. Sie ließen sich im Halbkreis vor ihnen nieder und lauschten schweigend. Hinter ihnen hatten Wachen gerade ihre Posten zwischen den dunklen Bäumen eingenommen. Der Rest der Felstrolle bereitete sich auf die Nacht vor, ihre großen Gestalten bewegten sich durch die Finsternis, das Klirren ihrer Waffen war zu vernehmen. Atalan saß nicht weit entfernt, hatte sich zusammengekauert und regte sich nicht, wandte dem Bruder den Rücken zu und starrte in die Düsternis des Waldes. »Es ist keine Insel, wie du sie dir vorstellen würdest. Sie ist nicht von Wasser umgeben, sondern von einer tiefen Schlucht, die mit Rankpflanzen und Bäumen überwuchert ist. Eine einzige Brücke spannt sich über den Abgrund, ein alter Steinbogen, der tausende Jahre alt ist. Sie bildet den einzigen Zugang zur anderen Seite. Aber ich kenne niemanden, der sie je überquert hätte.«
»Warum nicht?«, fragte Khyber sofort.
Kermadec schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht abergläubisch wie die Urdas, doch ich weiß über die Natur der Wesen Bescheid, die im Inkrim leben, und ich
Weitere Kostenlose Bücher