Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
veränderte sich abrupt sein hageres Gesicht. Es fiel in sich zusammen, und Gerand kippte nach vorn und zur Seite um.
Das ging schnell,
dachte sie, erhob sich und betrachtete von oben, wie sich seine Augen verdrehten, während er zu verstehen versuchte, was mit ihm passierte. Shadea schob ihm ein Kissen unter den Kopf, dann packte sie seine Beine und hob sie aufs Bett, damit er lang ausgestreckt dalag.
»Ist es so bequem, Gerand? Ruh dich lieber aus.« Da sie wusste, dass er nicht nach ihr greifen und sich überhaupt nicht mehr bewegen konnte, beugte sie sich über ihn. Seine Lungen und sein Herz taten noch ihren Dienst, doch nicht sehr gut. In diesem Zustand verfügte Gerand über so viel Kraft wie ein Säugling.
»Ich habe dir ein Betäubungsmittel verabreicht«, erklärte sie und setzte sich zu ihm. »Das nimmt deinen Muskeln die Kraft und lässt dich in einen Lähmungszustand verfallen. Aber es dauert nur eine Weile. Hinterher wird keine Spur davon zurückbleiben. Was mit Gift eine andere Sache gewesen wäre. Gift habe ich ebenfalls in Erwägung gezogen, mich jedoch dagegen entschieden. Schließlich kann ich es mir nicht leisten, für eine Mörderin gehalten zu werden.« Sie beugte sich nahe an ihn heran. »Ich nehme an, du weißt, was passieren wird. Deine Augen verraten es mir. Jetzt liebst du mich also nicht mehr. Jetzt verachtest du mich. So ist das mit der Liebe. Sie dauert nur so lange an, wie beide Seiten sie brauchen, danach wird sie zur Last, weshalb ich es mir auch nicht gestatte, jemanden zu sehr zu lieben. Diese Lektion hättest du schon vor langer Zeit lernen müssen. Und es überrascht mich, dass du es nicht getan hast. Nun, jetzt lernst du es auf die harte Tour.«
Er starrte sie an, und sie sah den Hass in seinen Augen. Im Kontrast dazu zeigte sein Gesicht keine Regung, und so schien es, als würden seine Augen jemand anderem gehören. Immerhin waren die Augen alles, was von ihm geblieben war. Allem anderen hatte das Mittel seine Kraft entzogen.
Sanft küsste sie ihn auf die Stirn. »Versuche doch, nicht ganz so böse über mich zu denken, Gerand. Du hättest es genauso gemacht, wenn du nur ein wenig mehr darauf Acht gegeben hättest, wie ich dich sehe.«
Dann zog sie ihm das Kissen unter dem Kopf weg, presste es ihm auf das Gesicht und drückte mit aller Kraft zu, bis Gerand Cera aufhörte zu atmen.
Als sich die Zellentür schloss und die Schließbolzen einrasteten, befand sich Bek Ohmsford in völliger Dunkelheit. Er setzte sich und wartete ab, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten, was nach einer Weile der Fall war. Unter dem Türschlitz und durch die Ritzen an der Seite mit dem Riegel kroch Licht herein, wodurch Bek sich in der Zelle zurechtfinden konnte. Der Raum war winzig, und Bek brauchte nicht lange, um ihn zu erkunden. Er fand nichts, was ihm irgendwie helfen könnte. Die Wände, der Boden und die Decke bestanden aus dem Gestein, aus dem die Zelle gehauen war, und der einzige Ausgang war die verriegelte Tür. Es gab ein Bett, Stroh und einen Eimer. Er fand keine Werkzeuge, die er zum Graben oder Bohren hätte benutzen können. Überhaupt waren auch keine Spalten oder Risse vorhanden, wo er ein solches Werkzeug hätte ansetzen können. Und von der Einrichtung konnte er nichts als Waffe einsetzen.
Er ließ sich auf dem Bett nieder und dachte lange Zeit über seine Lage nach. Wenn er Shadea Glauben schenken durfte - und er hatte keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen -, stand auf jeder Seite seiner Zellentür eine Wache. Im Gang und an der Treppe würden weitere postiert sein. Sie waren in der Lage, die Nachricht von einem möglichen Ausbruch mit Rufen schneller weiterzugeben, als er laufen konnte. Die Einzelheiten wusste er nicht, doch würden sie es irgendwie dem nächsten Posten mitteilen können, falls einer oder mehrere von ihnen überwältigt wurden.
Die Zeit verstrich, bis sich schließlich die Tür gerade weit genug öffnete, damit ein Gnomenjäger ein Tablett mit Essen hereinschieben konnte, ehe sie wieder zugeworfen wurde. Bek hatte sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und so blendete ihn das plötzliche Fackellicht, und er konnte kaum etwas erkennen, bevor sich die Tür bereits wieder geschlossen hatte. Er bezog das in seine Überlegungen ein, als er weiter an einem Fluchtplan arbeitete, setzte sich auf den Boden und aß. Das Essen war anständig; offensichtlich wollte sich Shadea nicht seiner entledigen, indem sie ihn verhungern ließ. Allerdings änderte das
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