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Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane

Titel: Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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bemüht, ihre Identität wiederzuerlangen, doch das Wackeln und Schaukeln schien ihre Verwirrung nur zu verschärfen. Leichter war es, in der Rolle aufzugehen, die sie angenommen hatte, als jenen Spuren zu folgen, die sie aus diesem Dilemma herausgeführt hätten. Es war einfacher, sich mit dem Wesen zu vereinen, das sie geweckt hatte, als es zu vertreiben.
    Nach ihrer Rückkehr wurde sie ausgezogen und gebadet, und sie wehrte sich nicht dagegen. Nackt und entblößt und gleichgültig stand sie da, so tief in ihr Innerstes zurückgezogen, dass sie nichts von dem spürte, was man mit ihr machte. Sie stieß Katzenlaute aus und zeigte die Krallen, allerdings bemerkte sie nicht, wie ihre Wärter vor ihr zurückwichen. Sie sah sie überhaupt nicht. Nicht einmal ihre Anwesenheit nahm sie wahr.
    Ich bin verloren,
dachte sie einmal.
Ich bin zerstört, und ich habe es mir selbst angetan.
    Die Zeit verstrich, und wenig änderte sich. Wachen kamen und gingen, das Licht wurde heller und dunkler, wenn Fackeln zu flackern begannen und gegen neue ausgewechselt wurden, man brachte ihr Essen und räumte es unangerührt wieder ab, und die Dämonen, die sie jagten, kamen immer näher. Ihren Bann wollte sie brechen, sie und das Zischen und Heulen der FurienErinnerungen vertreiben, aber sie hatte nicht den Willen dazu. Nur ein einziges Mal schlief sie. Wie lange, wusste sie nicht, nur eben, dass sie schlief und dass sie in ihren Träumen die Erinnerungen wieder aufgriff und schreiend erwachte.
    Der Straken-Lord besuchte sie nicht. Hobstull hielt sich fern. Sie wusste nicht, was die beiden beabsichtigten, aber je länger sie allein war, desto mehr war sie davon überzeugt, die beiden hätten vollkommen das Interesse an ihr verloren. Für sie hatten sie keine Verwendung, für eine Frau, die bereitwillig die Gestalt eines Ungeheuers annahm und sich in ein Delirium stürzte. Selbst in der Welt der Dämonen gab es keinen Platz für etwas, dem jede moralische Mitte oder jedes erkennbare Ziel fehlte. Und sie selbst sah sich ja genauso, wie ein verletztes, widersprüchliches Wesen, ein Chamäleon, das nicht zwischen Realität und Fantasie unterscheiden konnte, sich in beides hineinfallen lassen konnte, aber den Unterschied nicht begriff.
    Nach und nach glitt sie über die Grenze zum Wahnsinn hinaus. Das ging schrittweise vor sich, immer ein kleines Stück weiter, aber es ließ sich nicht leugnen. Jeden Tag fühlte sie, wie sich die Ard Rhys ein wenig mehr entfernte und die Furie in ihr näher kam. Es wurde leichter, Letztere anzunehmen und Erstere abzuweisen. Sich als unmenschlich zu betrachten wurde immer attraktiver. Wenn sie nicht besser war als eine der Furien, würde ihr Leben weniger kompliziert werden. Der Wahnsinn schien nachzulassen, der Konflikt gelöst zu werden. Als Furie brauchte sie sich keine Gedanken darüber zu machen, wo sie war und wie sie dorthin gelangt war. Sie brauchte sich nicht um die zunehmend schwerer fallende Unterscheidung zwischen den verschiedenen Welten und Leben zu kümmern. Als Furie wurde die Welt flacher und glatter, und es gab nur Töten und Fressen und das Leben mit ihren Katzenwesen.
    Mit der Zeit betrachtete sie sich als eingesperrtes Tier. Sie gab immerfort Katzenlaute von sich und fand Trost im leisen Heulen. Sie krümmte die Finger zu Krallen und machte einen Buckel. Sie biss sich in die Wange und schmeckte ihr eigenes Blut.
    Aber sie erhob sich nicht und aß nicht. Sie bewegte sich nicht von der Stelle fort, an der sie lag. Auch weigerte sie sich, aus der dunklen Zuflucht ihres Wahns hervorzutreten. In ihrem Kopf blieb sie sicher und behütet.
    Dann, wie in einem Traum, hörte sie jemanden nach ihr rufen. Zuerst hielt sie es für Einbildung. Niemand würde sie hier rufen, nicht hier und nirgendwo sonst. Niemand würde etwas mit jemandem zu tun haben wollen, der so entsetzlich war wie sie.
    Doch hörte sie die Stimme wieder, leise und beharrlich. Sie hörte, wie sie ihren Namen sagte. Überrascht tauchte sie aus ihrer selbst erzeugten Lethargie auf und lauschte.
    »Grianne von den Bäumen! Kannst du mich hören? Warum machst du diese Katzenlaute? Träumst du? Wach auf!«
    Ihr Verstand wurde schärfer, ihre Konzentration nahm zu, bis die Worte deutlich und die Stimme erkennbar wurden. Sie kannte denjenigen, der da sprach, erinnerte sich von einem anderen Ort und einer anderen Zeit an ihn. Sie spürte die Vertrautheit, als würde sie von einer langen Reise zu jemandem heimkehren, den sie zurückgelassen

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