Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
hätte.
Aber dann überlegte ich mir die Sache noch einmal. Schließlich war es auch nicht deine Schuld, denn du warst eine Fremde in diesem Land, und dir mangelte es an gutem Urteilsvermögen und der rechten Einsicht. Man musste Mitleid mit dir haben. Ich fühlte mich dir gegenüber verpflichtet. Daher dachte ich ein zweites Mal über alles nach und fasste einen Entschluss. Ich würde dich suchen und nachsehen, wie es dir ging. Wenn du nett zu mir sein würdest, würde ich entscheiden, ob du eine zweite Chance verdienst.«
Selbst in ihrer verwirrten und schwachen Verfassung, in der sie weder ganz das eine noch das andere war, spürte sie die Lüge hinter seinen Worten. Sie erkannte die Lüge an der Art, wie er sprach; sie sah es an der hektischen Bewegung von Augen und Körper. Wie immer hatte er etwas im Hinterkopf, und sie hatte keine Ahnung, worum es sich handelte.
»Wie bist du nach hier unten gelangt?«, fragte sie.
Er zuckte beiläufig mit den Schultern. »Ich habe da so meine Möglichkeiten.«
»Möglichkeiten, die dir erlauben, an Dämonenwölfen und Goblins im Dienste des Straken-Lords vorbeizukommen?«
»Ich habe auch die eine oder andere Fertigkeit«, schnaubte er. Sie brachte sich in eine sitzende Position hoch und wurde sich zum ersten Mal seit Tagen bewusst, wie steif und wund ihr Körper war. Nun schaute sie an sich hinunter, betrachtete zunächst die Blutergüsse und Schnitte an Armen und Beinen, dann das Leibchen, das sie trug. Sie war viel besser gekleidet als zu dem Zeitpunkt, an dem man sie in die Arena gebracht hatte. Ihr Blick schweifte umher. Auch die Zelle war sauberer.
Plötzlich wurde ihr Verstand klar. Hatte sie sich über die Absichten des Straken-Lords getäuscht? Was ging hier eigentlich vor sich? Sie sah Weka Dart an. »Wenn du nicht aufhörst, mich anzulügen, und mir nicht sofort die Wahrheit sagst«, flüsterte sie, »muss ich meine Strakenmagie gegen dich einsetzen, Ulk Bog.«
Grinsend zeigte er seine scharfen Zähne. »Das würde dir wohl ein wenig schwer fallen, denn du trägst ein Zauberband.«
Den Fehler begriff er offensichtlich sofort, die Selbstzufriedenheit in seinem Blick schwand, und er presste die Lippen zusammen, als wolle er sich im Stillen schelten. »Zauberbänder kenne ich natürlich«, fügte er rasch hinzu. »Die habe ich früher schon gesehen.«
Ihr Halsband hatte sie vergessen, bis er sie daran erinnert hatte, doch wusste er das nicht, und sie würde es ihm auch nicht auf die Nase binden. Also blieb sie still und starrte ihn lediglich an.
»Ich weiß nicht, wer du bist oder was du willst, Weka Dart«, sagte sie schließlich, »aber du hast mir nie die Wahrheit gesagt, seit wir uns begegnet sind. Für dich war das alles ein Spiel, in dem du die Regeln kennst, ich hingegen nicht. Wenn du weißt, was ein Zauberband ist, weißt du zu viel, um nur ein einfacher Ulk Bog aus irgendeinem Dorf zu sein, der durch das Land reist. Wenn du weißt, wie man die Wachen des Straken-Lords umgeht, besitzt du Fähigkeiten und Wissen, die darauf schließen lassen, dass du viel mehr bist als das, was du zu sein vorgibst. Ich habe genug von dir. Sag mir entweder die Wahrheit, oder lass mich hier in Ruhe verrotten.«
Sie hob den Zeigefinger, als er sprechen wollte. »Sei vorsichtig. Ehe du mir wieder eine Lüge erzählst, überleg es dir zweimal. Mir ist nicht mehr viel geblieben, aber mein Gefühl dafür, was wahr ist und was nicht, habe ich nicht verloren.«
Der Ulk Bog starrte sie an. Mit wachsamem Blick betrachtete er sie unsicher; tiefe Falten furchten sein schrumpeliges Gesicht. Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie viel ich dir sagen sollte«, meinte er dann.
Sie seufzte. »Warum erzählst du mir nicht alles? Welchen Unterschied macht es jetzt noch?«
»Einen größeren, als du denkst. Einen Unterschied, den ich mir sorgfältig überlegen muss. Du hast Recht mit deiner Einschätzung über mich. Und Recht, was meine Geschichte betrifft. Doch befindest du dich in einer weitaus stärkeren Position, als du denkst. Du hast etwas, das ich möchte. Was ich dir dafür anbieten kann, ist die Wahrheit - und vielleicht ein Weg heraus aus dieser Zelle. Das eine kann ich dir für das andere geben. Aber ich fürchte, du wirst mich zurückweisen, wenn du hörst, was ich zu sagen habe. Ich fürchte, du wirst mich dafür hassen.«
Zum ersten Mal, seit sie sich kennen gelernt hatten, sprach er aufrichtig, und sie war geneigt, ihm Glauben zu schenken. Sie verstand nicht,
Weitere Kostenlose Bücher