Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
erinnerte sich daran, dass es genauso gewesen war, wenn er seine Schwester besucht hatte - die gleichen Blicke, das gleiche rasche Abwenden. In ihrer Abwesenheit hatte sich nicht viel verändert. Er fragte sich, ob das in der Natur ihrer Stellung oder an denjenigen lag, die diese Position erobern wollten. Und weiter fragte er sich, warum überhaupt jemand danach strebte.
Sie betraten einen Nebengang, der schmaler und weniger belebt war. Ein unachtsamer junger Druide stieß mit Bek zusammen und warf ihn um.
»Verzeiht«, entschuldigte er sich rasch und half Bek auf die Beine. Die Papiere, die er fallen gelassen hatte, lagen überall verstreut. »Ich habe Euch gar nicht gesehen. Ich hatte es so eilig. Tut mir Leid, meine Schuld. Ist alles in Ordnung mit Euch? Sehr wohl. Bitte nochmals um Verzeihung.«
Während der Druide seine Hand hielt, fühlte Bek ein winziges Stück Papier in seiner Handfläche. »Oh, glücklicherweise ist nichts passiert«, meinte der Druide und sah Bek kurz in die Augen, ehe er den Blick abwandte. Erneut entschuldigte er sich, dieses Mal Shadea gegenüber, und bückte sich, um seine Papiere vom Boden aufzuheben. Die große Frau warf ihm einen niederschmetternden Blick zu, ging an ihm vorbei und winkte die anderen mit sich. Bek sah den jungen Druiden an, als er vorbeiging. Der blickte nicht noch einmal auf.
Bek schob das Stück Papier in die Tasche. Den jungen Druiden hatte er nie zuvor gesehen. Er sah Rue an, aber sie hatte nichts bemerkt. Wieder stiegen sie Treppen hoch und durchquerten mehrere Gänge, ehe sie einen Raum weit oben im Keep erreichten. Gnomenjäger standen davor Wache, die Tür war verschlossen und verriegelt. Die Gnomen traten zur Seite, als Shadea näher kam und die Schlösser öffnete. Dann drängten die Druiden die Ohmsfords hinein. Bek blickte sich um. Der Raum war, abgesehen von einem kleinen Wasserbecken in der Mitte, leer. Dieses Becken war flach und breit, und das Wasser darin dunkelgrün. Auf der Oberfläche des Beckens befanden sich Linien und Markierungen, Einbuchtungen und Erhebungen. Eine Karte, erkannte Bek und trat näher heran. Eine Karte der Vier Länder.
»Hier könntet Ihr uns helfen«, sagte Shadea a'Ru und stellte sich zu ihm. Rue hatte auf der anderen Seite Platz gefunden, und er spürte die Erwartung in der Wärme, die ihr Körper ausstrahlte. »Dieser Raum heißt die kalte Kammer. Die Steinmauern isolieren das Becken. Das Scrye-Wasser im Becken zeigt die Energielinien, welche die Erde binden. Es spiegelt Störungen in jenen Linien, wenn mächtige Magie ausgeübt wird. Wir beobachten sie, um zu wissen, wo außerhalb des Ordens Magie ausgeübt wird.«
Sie wandte sich zu ihm um. »Wir hatten die Absicht, mithilfe des Scrye-Wassers die Bewegungen Eurer Schwester nach ihrem Verschwinden zu verfolgen, doch sind wir auf keinerlei Hinweise auf irgendwelche Vorkommnisse dieser Art gestoßen. Allerdings wird das Wasser solche Magie anzeigen, selbst kleinste Spuren, wenn seine Kraft verstärkt wird. Wenn Ihr die Magie des Wunschliedes in dieser Weise einsetzen könntet, sollten wir herausfinden können, wo sich Eure Schwester aufhält. Ich weiß, Ihr verfügt über die Macht, die Wirkung dieser Magie in dieser Hinsicht zu lenken. Werdet Ihr sie einsetzen?«
Bek sah ihr einen Moment lang in die Augen und versuchte zu erkennen, was sich dahinter verbarg. Sie bat ihn mit deutlichen Worten, etwas Bestimmtes zu tun, doch zweifelte er an ihren Motiven. Traunt Rowans Auslassungen und Verschleierungen erfüllten ihn weiterhin mit Sorge, und das Unbehagen angesichts der Umstände, unter denen seine Schwester und sein Sohn verschwunden waren, hatte sich nicht vermindert. Er war müde, weil ihm diese Sorgen zusetzten und weil er auch zu wenig geschlafen hatte, und er fürchtete, im Augenblick keinen klaren Gedanken fassen zu können.
»Ich weiß, Ihr möchtet sicherlich, dass ich sofort damit beginne«, erwiderte er. »Das wäre mir selbst auch am liebsten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich Euch wirkungsvoll helfen kann, solange ich mich nicht ausgeruht habe. Die Anwendung der Magie des Wunschliedes erfordert eine starke Konzentration, die ich, glaube ich, im Moment nicht aufbringen kann. Ich würde gern etwas essen, ein wenig schlafen und es dann am Morgen versuchen, wenn ich frisch bin.«
»Bek!«, explodierte Rue und packte ihn so heftig an der Schulter, dass es schmerzte. »Es geht um deinen Sohn und deine Schwester! Was soll das heißen, du brauchst Ruhe?
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