Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
nickte. »Und Süden nach dort?« Wiederum nickte der Felstroll. Pen holte tief Luft. »Lass mich die Führung übernehmen. Ich glaube, ich kann uns hier herausbringen. Wenn der Weg irgendwann nach unten geht, zurück unter die Baumgrenze, gelangen wir vielleicht unter den Nebel. Darf ich das versuchen?« Kermadec schob ihn zur Spitze der Reihe, und Pen ging langsam vorwärts und fuhr mit den Händen über die Flechten, die auf dem Fels wuchsen. Die Nachmittagssonne würde sich südwestlich von ihnen befinden. Er musste die Gruppe nach Südosten führen, um auf dem richtigen Weg zu bleiben. Zunächst war es einfach, da es immer in die gleiche Richtung ging und Pen keine Wahl treffen musste. Bald jedoch wurde es schwieriger, da die Biegungen sich häuften und sich der Pfad teilte, was ihn dazu zwang, die Reaktionen der Flechten richtig zu deuten und sich entsprechend voranzubewegen.
Ganz sicher, ob er sich für den richtigen Weg entschied, konnte er sich nicht sein, nicht, solange er seine Umgebung nicht sah, weil der Nebel so dicht und undurchdringlich war, als schwimme man nachts unter Wasser. Aber immerhin waren sie wieder in Bewegung und standen nicht mehr herum. Es war besser, so redete er sich ein, das Risiko zu wagen und überhaupt etwas zu tun.
Manchmal verschwanden die Flechten, und er musste blind weitergehen, bis er einen neuen Flecken entdeckte. Manchmal wuchsen sie an Stellen, wo es so kalt war, dass sie sich in sich selbst verschlossen hatten und er von ihnen nichts erfuhr. Dann wieder war er auf Vermutungen angewiesen, um die Richtung festzulegen, weil er die Mitteilungen der Flechten nicht deutlich verstehen konnte. Diese Arbeit verlangte viel Mühe; die Flechten kommunizierten auf subtilere Weise als zum Beispiel eine Möwe oder ein Reh. Diese Lebensform verfügte über keine hohe Intelligenz, sondern stellte lediglich eine leise Reaktion auf die Umgebung dar.
Ich schaffe das.
Den anderen war er dankbar, weil sie ihn in Ruhe ließen. Ein- oder zweimal glaubte er, von hinten ein Murren zu hören, doch war es wohl gar nicht auf ihn gemünzt. Davon ließ er sich auch nicht ablenken. Die Ängste und Zweifel der vergangenen Nacht waren vergessen. Er hatte nun eine Aufgabe, ein Ziel, das ihm Rettungsleine und Pflicht zugleich war. Sie alle waren seinetwegen hier, doch wenigstens tat er etwas, um zu helfen. Er war nicht mehr ein Schutzbefohlener, um den sie sich kümmerten und über den sie wachten. Jetzt gehörte er zur Gemeinschaft und beteiligte sich an den Anstrengungen, den Weg zu ihrem Ziel zu finden. Vorsichtig strich er über die Flechten und spürte die leichten Bewegungen, die leisen Erwiderungen.
Warm.
Sie reckten sich zur Sonne, zum Licht.
Der Nebel hüllte sie weiterhin dicht und zäh ein, die Helligkeit nahm ab, während der Tag sich langsam seinem Ende entgegenbewegte. Die Zeit wurde knapp. Er ging weiter und konzentrierte sich. Cinnaminson hatte nur einmal gesprochen, seit er die Führung übernommen hatte. Er verstand schon. Sie konnte ihm nicht helfen, da ihre besondere Sehfähigkeit durch die Druidenmagie behindert wurde. Wie die anderen verließ sie sich ganz auf ihn.
Ich schaffe das.
Es war schon fast dunkel, als sie schließlich aus dem Nebel traten und den ersten Flecken kargen Grases entdeckten, wo felsdurchsetzte Wiesen Oasen des Lebens zwischen den öden Gipfeln des KluGebirges bildeten. Auf dem Weg bergab löste sich der Nebel mehr und mehr auf. Dann plötzlich war er verschwunden, und sie standen in der Dämmerung zwischen den Gebüschen, die den Anfang eines Bergwaldes verkündeten. Die Luft war wieder so klar, dass sie einander sehen konnten.
Kermadec kam zu Pen und klopfte ihm auf die Schultern. »Gut gemacht, junger Penderrin. Wir schulden dir großen Dank für deine heutige Arbeit.«
Die anderen Trolle, sogar Atalan, nickten beifällig, und ihre dunklen Augen drückten aus, was ihre Worte nicht sagten. Khyber lächelte. Sogar Tagwen murmelte so etwas wie Glückwünsche in Pens Richtung.
Cinnaminson hielt sich nicht mit Worten auf. Sie trat einfach vor ihn und umarmte ihn so fest, dass er nicht mehr atmen konnte. Diese Umarmung war das Schönste, was er seit langer Zeit erlebt hatte.
Siebzehn
Als Grianne Ohmsford das Bewusstsein wiedererlangte, war sie überrascht, dass sie überhaupt noch am Leben war. Sie hatte erwartet, der Fluchtversuch aus dem Kraal-Reich würde im Falle eines Scheiterns ihren Tod durch Tael Riverine bedeuten. Dafür hätte sie jedenfalls im
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