Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
schneller zu rutschen begann. Langsam, vorsichtig, gleich einer Schlange, wand er sich aus seiner misslichen Lage. Geschafft! Schwer atmend lehnte er sich an die Lehmwand des Speichers. Der Staub kratze im Hals, verklebte die Nase und die Augen. Jetzt nur nicht husten , dachte Hatik, dann kriegen sie mich doch noch. Er umfasste das kleine Amulett, welches er an einem Lederband um den Hals trug. Das Auge des Horus hatte ihn wieder einmal beschützt. Inbrünstig dankte er dem falkenköpfigen Sohn der Isis. Verzückt flüsterte er seine Ehrbezeugungen an den Gott, als wohlige Wärme seinen Körper durchströmte. Sie schien von einem bestimmten Punkt auszugehen. Neugierig und ganz vorsichtig öffnete Hatik die Augen. Sein Amulett war die Quelle. Es hatte sich stark erwärmt. Auch pulsierte in ihm eine ungeahnte Energie, die ein bläuliches Leuchten aussandte. Völlig überwältigt stieß der Junge einen tiefen Seufzer aus. Dann schwanden ihm die Sinne.
Auf Atla beschleunigte Kira ihre Schritte. Vor der Tür traf sie mit Mara zusammen, die ebenfalls den telepathischen Ruf der Seherin empfangen hatte. Die Frauen schlüpften durch den Vorhang, der den magischen Bezirk vom Rest des Raumes abtrennte. Neri, noch etwas mitgenommen von ihrer Seelenwanderung, begrüßte gut gelaunt die Hüterinnen. Mara merkte sofort, dass die Seherin eine kleine Stärkung vertragen konnte. Sie trat an den Kamin und goss etwas Kräutertee in einen Becher, welchen sie Neri reichte.
„Oh ja, das ist gut. Ich danke dir. Kommt, setzt euch zu mir!“
Die beiden ließen sich auf dem Rand des Lagers nieder. Neri umschloss den Becher mit beiden Händen, als ob sie sich wärmen wollte. Schließlich nahm sie einen langen Schluck.
„Du siehst sehr zufrieden aus“, stellte Mara fest.
Mit funkelnden Augen sah Neri über den Rand des Gefäßes die beiden Hüterinnen an.
„Ich bin mehr als zufrieden. Ich habe ein Medium ganz in der Nähe des wiedergeborenen Rami gefunden.“
„Wie ist der erste Kontakt verlaufen?“
„Nun, wie soll ich sagen …, ihn hat es umgelegt.“ Neri hob mit einer lustigen Grimasse Augenbrauen und Schultern.
„Es hat ihn WAS?“ Die Hüterinnen schauten verwirrt, erschrocken und skeptisch drein.
„Umgelegt. Bumm. Der Länge nach“, sagte Neri treuherzig.
„Du machst Scherze?“, meinte Mara sichtlich beunruhigt.
„Nein, das ist todernst. Er ist ohnmächtig geworden.“
Kira reagierte mit einem Anflug von Panik. „Aber das heißt doch, dass er nicht stark genug ist, für unser Vorhaben!“
„So, Mädchen, jetzt beruhigt euch erst einmal wieder, dann erzähle ich mehr.“
Neri trank ihren Tee aus. Indem sie den Becher beiseite stellte, begann sie die Fakten aufzuzählen.
„Mein Medium heißt Hatik, ist sieben Jahre alt, hat keine Eltern mehr und lebt von dem, was es findet. Der Kleine ist ein findiges Bürschlein, zudem wieselflink. Ich habe ihn beobachtet, wie er in einer fast ausweglosen Situation steckte. Er reagierte sehr besonnen, tat nichts ohne Bedacht.“
„Hast du dich ihm gezeigt?“
„Nein. Ich offenbarte mich nur als Energie.“
Kira atmete auf. „Musstest du uns so erschrecken? Wenn es noch ein Kind ist, kann ich gut verstehen, dass ihm vor lauter Anstrengung die Sinne vergingen. Es muss ihm ja wirklich durch Mark und Bein gegangen sein, als er deine volle Energie zu spüren bekam. Aber was hast du nun vor?“
„Jetzt, wo ich ihn lokalisieren kann, werde ich mich ihm vorsichtig zeigen. Er wird mir helfen, dessen bin ich sicher. Wir haben auf irgendeine Weise das gleiche Ziel, nämlich, eine feste Bleibe zu finden, in der gleichen Dimension.“
„Wirst du mit Rami darüber sprechen?“
„Auf gar keinen Fall. Das würde die Sache unnötig verkomplizieren. Ob ich Solon einweihe, weiß ich auch noch nicht. Es ist ja noch Zeit.“
Mara nickte. Kira hingegen wirkte völlig abwesend. Neri hatte die ganze Zeit über schon das Gefühl gehabt, dass sie über einem Problem brütete. Sie folgte dem Blick der Hüterin zu ihrer Drachenstatue. „Sag mal, Kira, gibt es da etwas, was wir alle wissen sollten?“
Die Angesprochene zuckte zusammen. „Wa-wa-was? Äh nein – ja …“
„Na, sag schon, was los ist. Oder noch besser – wir sehen es uns an. Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.“ Neri streckte beiden Frauen die Hände entgegen. Mara fasste zu und reichte ihrerseits eine Hand zu Kira, um das Dreieck zu bilden. Kira zögerte. Aber ein aufmunternder Blick von Neri überzeugte
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