Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
Tages angekommen war, wurde es still in der Runde. Nicht einmal das Feuer schien zu knistern. „Ja und nun bin ich hier. Ich weiß nicht, wo das ist und ich weiß nicht, was nun mit mir passieren wird.“ Mit diesen Worten beendete der Kleine seinen Bericht. Er schaute mit großen, traurigen Augen in die Runde.
„Heute bleibst du hier und schläfst dich ordentlich aus. Morgen werden wir weitersehen.“
„Ich darf heute hierbleiben?“ Die schwarzen Augen in dem schmalen Kindergesicht leuchteten vor Freude auf.
„Ja und nun komm mit. In der Hütte ist noch eine Schlafstelle frei.“
Dankbar trottete Hatik hinter dem Soldaten her. Selig kuschelte er sich in die Decken, die ihm gereicht wurden und nach wenigen Augenblicken war er eingeschlafen. Ungläubig kopfschüttelnd verließ der Soldat den Jungen. Pepi, der die Truppe befehligte, schritt am Lagerfeuer auf und ab. „Was haltet ihr von dem Kleinen?“
Neferem, der soeben aus der Hütte trat, antwortete: „Ich glaube ihm. Er muss unter einem besonderen Schutz stehen. Habt ihr sein Amulett gesehen? Das ist nicht irgendwas – das ist massives Silber. Seine Eltern waren sicher auch nicht irgendwer. Auch, dass er schon Monate allein überlebt hat, ist kein Zufall. Heute ist er Meile um Meile durch die Wüste gelaufen. Ich glaube auch Wort für Wort, was er im Speicher erlebt hat. Er muss etwas ganz Besonderes sein.“
Der Offizier blieb vor Neferem stehen. Nachdenklich schaute er ihm in die Augen, die diesem Blick Stand hielten.
„So wird es wohl sein. Behalten wir das kleine Kerlchen erst mal hier.“
Seine Worte wurden mit beifälligem Gemurmel quittiert.
Das Ritual
Auf der Atla-Insel gingen inzwischen die Arbeiten in der Tempelgrotte zügig voran. Solon und Talos waren sehr zufrieden. Solons einzige Sorge war sein Sohn Rami. Dass ihn das Los nicht getroffen hatte, konnte dieser nur schwer verwinden. In endlosen Gesprächen versuchte er seinen Vater zu überzeugen, dass er für die Mission besser als andere geeignet wäre. Solon kannte die außergewöhnlichen Begabungen seines Sohnes. Er wusste, dass Rami, genau genommen, Recht hatte. Aber schließlich musste es ja einen Grund geben, warum es das Schicksal so beschlossen hatte. Vielleicht erwachte der Schwarze ja früher, als angenommen, dann wurde hier jeder mit magischen Fähigkeiten gebraucht. Stutzig machte den Ältesten der Atlan nur die Hartnäckigkeit, mit der Rami zu Werke ging. Ihm kam da so ein Gedanke …
„Sag mal, Rami, kann da etwas anderes, als nur Sorge um die Allgemeinheit, mit im Spiel sein?“
Mitten im Redeschwall verstummte der Angesprochene. Solon amüsierte sich über die Reaktionen prächtig.
„Ach, schau an! Jetzt kriegt er auch noch rote Ohren!“
Rami blies die Luft aus den Lungen. Indem er sich schwer auf einen Hocker fallen ließ, murmelte er: „Na, fein. Erwischt!“
„Wer ist denn die Angebetete? Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass sie hier bei dir bleibt?“
Ein gequältes Kopfschütteln war die Antwort. Solon stutzte. „Es ist doch nicht etwa …?“
Diesmal folgte ein bekümmertes Nicken. „Ach, Vater, sie weiß doch nichts davon! Ich bete sie seit langer Zeit im Stillen an. Mich ihr einfach so zu nähern, das habe ich nie gewagt. Ich weiß auch nicht, warum.“
„Du hast nie mit ihr darüber gesprochen?“
„Nie.“
„Dann solltest du es jetzt tun.“
„Wirklich? Jetzt, wo sie den Kopf mit wichtigeren Sachen voll hat? Meinst du, sie hat Zeit für einen liebeskranken Narren, der zu feige ist, ihr das zu sagen?“
„Tu es! Es könnte nützlich für sie sein. Vielleicht hilft ihr dein Geständnis mehr, als du annimmst.“
Rami drückte seinem Vater dankbar die Hände und verließ erleichtert die Hütte.
Solon nickte ihm hinterher. „Da geht der Junge auf Freiersfüßen und ich hab es nicht mal gemerkt. Er kann seine Gedanken besser abschirmen, als ich immer dachte. Wer weiß, was die Zukunft noch bringt. Heute ist er einfach Solons Sohn, aber später …?“ Der alte Mann wandte sich den frischen Kräuterbündeln auf dem Tisch zu.
Die Seherin war nach einer kurzen Nacht frisch und gut gelaunt aufgewacht. Als sie aus dem Fenster sah, erschienen gerade die ersten Sonnenstrahlen über dem Gebirge. Langsam tasteten sie sich über die Felsen. Dabei tauchten sie die steilen Klüfte in rotgoldenes Licht. Es würde ein schöner Tag werden. Neri richtete ihr Lager her, berührte im Vorbeigehen ihren Energiekristall und das kleine Figürchen
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