Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
alles daran setzen, um an den Hof des Pharao zu gelangen. Falls wir nicht versehentlich den Lauf der Geschichte ungünstig beeinflussen, indem wir zu falschen Zeit am falschen Platz sind, dann wird Rami der lebendige Gott Pharao werden. Es könnte mir dann unter Umständen gelingen, seine uralte Seele dazu zu bringen, sich an Atla zu erinnern, an Letan und an alles, was damit zusammenhängt. Es wird schwer werden, ist aber nicht unmöglich.“
Die Seherin beendete mit einer endgültigen Handbewegung, die auch keine Einwände mehr duldete, ihre Ausführungen. Als die Hüterinnen gegangen waren, merkte sie erst, wie völlig erschöpft sie war. Auf ihr Lager zurück sinkend, fiel sie sofort in einen tiefen Schlaf.
Ihr kleines Medium in der Zukunft war zur gleichen Zeit genau so müde und noch immer sehr hungrig.
Wie er aus dem Speicher heraus gekommen war, wusste Hatik nicht. Er war erst am Wasserschöpfer wieder zu sich gekommen. Ein großer silbrig glänzender Vollmond stand am Himmel und funkelte mit den unzähligen Sternen um die Wette. Der Junge beugte sich hinunter, um eine handvoll Wasser zu trinken. Dabei rutschte ihm das Amulett, welches er schon als Baby getragen hatte, aus dem Ausschnitt seines einfachen Hemdes. Es spiegelte sich, als silbernes Fünkchen, in der Wasserstelle. Hatik hielt inne. Er hatte im Wasser die Spiegelbilder der Sterne des Gottes Osiris und seiner Gemahlin Isis gefunden. Mittendrin glänzte sein Amulett als winziger Stern. Langsam, fast andächtig, schöpfte er mit seinen kleinen Händen das kühle Nass und freute sich über die schimmernden Wellenringe, die den Sternen Leben einzuhauchen schienen. Als er seinen Durst gestillt hatte, presste er die noch feuchten Hände gegen sein heißes Gesicht. Das tat gut! Der Knabe seufzte. Wo sollte er in dieser Nacht nur schlafen? Er war furchtbar müde, er fror und der Hunger meldete sich auch zurück. Es war nun schon der zweite Tag, an dem er nichts zu beißen hatte. Aufmerksam schaute er sich um. Ganz in der Ferne brannte ein kleines Feuer. Er roch es mehr, als, dass er es sah. Der Nachtwind trug noch einen anderen Geruch mit sich. Ein kaum merklicher Hauch von frischem Fladenbrot wehte heran. Hatiks Beine bewegten sich von ganz allein in diese Richtung. Wie ein Spürhund witterte er in die Dunkelheit. Nun war er schon einige Kilometer am Rande der Wüste entlang gelaufen, hatte aber die Quelle des Duftes noch immer nicht gefunden. In Hatik wuchsen die Verzweiflung und die Angst. Die Geräusche der Wüstentiere flößten ihm Furcht ein. Vielleicht waren es die Dämonen, von denen seine Mutter manchmal gesprochen hatte? Die linke Hand des Jungen umkrampfte das Amulett. Noch nie war er nachts allein so weit von jeglicher menschlicher Behausung weg gewesen. Wie gehetzt schaute er sich ständig in alle Richtungen um. Das Herz raste, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Ein paar Mal war er schon über kleine Erdhügel gestolpert, sogar schon gestürzt. Als er plötzlich Stimmen hörte, glaubte er zu träumen und mit letzter Kraft schleppte er sich über die kleine Düne.
Die Soldaten staunten nicht schlecht, als mitten in der Nacht ein Kind zu ihrem Feuer taumelte. Hierher war noch niemand freiwillig gekommen. Es war der letzte Außenposten des Anwesens des Offiziers Raia, der die Streitwagentruppen des Pharao befehligte. Jeder war froh, wenn er hier abgelöst wurde. Hatik blieb wie angewurzelt vor dem Steinofen stehen, in dem gerade wieder ein paar Fladenbrote buken. Laut und vernehmlich knurrte sein Magen. Dass er jämmerlich fror, hatte er in diesem Augenblick ganz vergessen. Die Männer lachten. „Da hat aber einer ein mächtiges Loch im Bauch! Greif schon zu!“
Das ließ sich der Kleine nicht zweimal sagen. Mit beiden Händen fasste er nach dem größten Fladen und stopfte ihn sich zwischen die Zähne. Dass er dabei von mehreren Augenpaaren beobachtet wurde, störte ihn heute keineswegs.
„So, mein Junge, jetzt setz dich erst mal ans Feuer, du bist ja schon ganz durchgefroren.“ Einer der Männer legte ihm eine Decke um und zog ihn in die Wärme.
„Wo kommst du zu so später Stunde her? Hast dich wohl verlaufen?“
„Ich … ich weiß nicht, was genau passiert ist.“
„Deine Mama wird dich sicher vermissen? Wer sind deine Eltern? Wo ist euer Haus?“
„Meine Mama ...“ Hatik begann zu weinen. Dann brach es aus ihm heraus. Sein ganzes Leben erzählte er den Soldaten. Als er bei den Erlebnissen des gerade zu Ende gegangenen
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