Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
fühlte nur eine Eiseskälte, die sie plötzlich ankroch. Fröstelnd wollte sie den Raum verlassen, als ihr Blick noch einmal die Kobra streifte. Das gab es doch wohl nicht! Jetzt stand die Kobra wieder mit drohend gespreizter Haube vor dem Drachen. Panisch verließ Kira die Hütte. Sie fühlte sich wie ein ertappter Lauscher. Hatte sie etwas gesehen, was nicht für ihre Augen bestimmt war? Ihr Herzschlag raste, sie zitterte am ganzen Körper. Schwer atmend lehnte sie sich mit dem Rücken an einen Baum. Sie merkte kaum noch, wie ihre Beine einfach nachgaben und sie langsam zu Boden rutschte. Mühsam versuchte die blonde Frau ihre Gedanken zu ordnen, die Purzelbaum schlugen. Dann hob sie plötzlich, herzzerreißend aufschluchzend, die Hände vor ihr Gesicht. Die Steine! Die Schicksalssteine! Das musste es sein. Kira hatte sie befragt, nachdem sie das Los getroffen hatte, mit Neri in die Zukunft zu gehen. Mit den Antworten hatte sie zunächst nichts anfangen können. Hier war also die Lösung. Von Wiedergeburt und irdischen Qualen war die Rede gewesen. Sie, eine Atlan, hatte das natürlich für völligen Unsinn gehalten. Jetzt traf sie die Erkenntnis wie ein Keulenschlag. Wiedergeburt … Wiedergeburt … Wiedergeburt … Das Wort hämmerte in ihrem Gehirn. Das konnte nur bedeuten, dass sie mit ihrer Herrin auf eine Reise ohne Wiederkehr gehen würde. Sie rang um Fassung. Tiefe Verzweiflung überschwemmte sie. Sie, die Hüterin, hatte die Seherin zu beschützen, selbst wenn es ihr Leben kosten würde. Nie zuvor hatte der alte Schwur diese Tragweite gehabt. In der Zukunft war alles anders. Fand sie dort den Tod, konnte sie tatsächlich nicht mehr zurück. Ihr Körper hier würde verfallen, die Seele rastlos wandern, in der Hoffnung eines Tages eine neue Hülle zu finden.
Aber es gibt doch Mi-Kel. Es gibt ihn doch! Ich hab ihn doch gesehen! Aber Mi-Kel hatte auch Letan hierher gebracht … Kira hockte noch immer am Boden. Alle ihre Gedanken liefen ins Leere. So kam sie nicht weiter. „Reiß dich doch endlich zusammen, Mädchen!“ Sie erschrak vor ihrer eigenen Stimme. Verstohlen schaute sie sich um und endlich gewann die Vernunft wieder Oberhand. Vorsichtig stand sie auf, wischte die letzten Tränen fort. Ihre Gestalt straffte sich. Trotzig dachte sie: Es gibt Mi-Kel. Eben! Und es gibt die Kobra. Es gibt die Atlan, die alle Hoffnung in sieben der ihren setzen, um überleben zu können. Was war ihr Schicksal gegen das der Seherin? Auf deren Schultern lastete ein ganzes Gebirge von Sorgen. Festen Schrittes und mit erhobenem Haupt strebte Kira zurück zur Hütte.
In einer 5000 Jahre entfernten Zukunft hatte ein kleiner Dieb ganz andere Probleme und keine Ahnung, welche Rolle ihm das Schicksal zugedacht hatte…
Hatik steckte fest. Verdammter Mist. Schnaufend und prustend versuchte er, wieder ans Tageslicht zu kommen. Warum musste er auch ausgerechnet in den Speicher springen. Die Wachen des Pharao hätten ihn ja doch nicht geschnappt. Überhaupt, wozu kamen die auch gerade, als er sich den Fladen vom Feuer stehlen wollte! Jetzt saß er in der Falle, hatte noch immer Hunger und obendrein wurde der Sauerstoff knapp.
„Hey, hier muss er stecken!“
Das Wort stecken klang in den Ohren des kleinen Diebes doppelt grausam. Er hielt die Luft an und tauchte vollends in den Berg des eingelagerten Kornes ab. Keinen Moment zu spät, denn gleichzeitig öffnete jemand die Verschlussklappe und spähte umher. „Hier ist er nicht!“ Die Luke fiel mit dumpfem Laut wieder zu.
„Oh Isis, Herrin des Lebens, ich danke, danke, danke dir!“ Hatik hatte Mühe, die Worte zu sprechen. Immer wieder rollten staubige Körner über sein Gesicht, das er nur mit größter Anstrengung aus dem Haufen hervor streckte. Langsam schnürte die Angst das Herz des Siebenjährigen zu. Ganz ungewollt füllten sich seine rabenschwarzen Augen mit Tränen. Niemand würde ihm helfen, niemand nach ihm suchen. Seit seine Zieh-Mutter vor einigen Monaten gestorben war, stand er ganz allein auf der Welt. Vielleicht würde er ihr jetzt folgen und in das Reich des Osiris eingehen. Nur war da noch Anubis. Der würde sein Herz wiegen und sein Ka doch glatt an die Seelenfresserin Ammit verfüttern. Hatik war schließlich ein Dieb. Zwar stahl er nur aus Hunger – aber er stahl. Damit würde er nie in Osiris’ Reich zu seiner Mutter gelangen. Verzweifelt schnappte der Junge nach Luft. Nur keine hektischen Bewegungen. Er hatte schon gemerkt, dass dann der Berg immer
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