Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
sich in seinen Körper, der zu zerreißen schien. Hatik schloss mit seinem Leben ab. Es folgte ein Stakkato ohrenbetäubender Töne, grelle Ringe blitzten vor seinen Augen, dann folgte übergangslos Stille.
Sekundenlang blieb er mit geschlossenen Augen liegen. Er konnte kaum glauben, dass er noch lebte. Auf einmal fühlte er Wärme, wie von der Sonne auf seinem Gesicht. Fremde Stimmen waren um ihn herum und tuschelten aufgeregt miteinander. Sie klangen nicht ägyptisch. Gang, ganz vorsichtig öffnete Hatik die Augen. Um ihn herum standen Frauen und Männer, die die Augen vor ungläubigem Staunen weit aufgerissen hatten. Ein alter Mann mit weißem Bart rief erfreut: „Ah, er kommt zu sich.“ Dann beeilte er sich, Hatik beim Hinsetzen zu helfen. Hatik traute sich kaum den Kopf zu bewegen, ganz langsam bewegte er nur die Augen von einer Seite zur anderen. Er saß auf einer schmalen Trage, mitten auf einer Wiese mit bunten Blumen. Ein seltsames Rauschen war in der Luft.
„Wo bin ich?“, flüsterte der junge Mann mit kratziger Stimme.
Der weißbärtige Alte mit dem gütigen Gesicht antwortete: „Auf Atla.“
„Auf der Insel Atla?“
„Ja, auf der Insel Atla.“
„Sind die anderen schon hier?“
„Welche anderen?“, fragte der alte Mann verwundert zurück.
„Neri und Safi und ihre Freunde.“ Hatik versuchte aufzustehen. Jetzt riefen alle durcheinander. „Er kennt Neri.“ „Wer ist der junge Mann?“ „Wo sind die anderen?“
Solon sprach ein Machtwort. „Lasst ihn sich doch erst einmal in Ruhe erholen.“ Hatik war ihm dafür sehr dankbar. Er betaste seinen Körper, fühlte nach seinem Amulett. „Noch alles dran“, murmelte er schließlich erleichtert. Etwas benommen setzte er sich auf der Wiese neben der Trage nieder. Die Atlan gesellten sich zu ihm, neugierig auf seine Erklärung wartend. Zafira reichte ihm einen Becher mit frischem Quellwasser und schob ihm ein Körbchen mit duftendem Brot hin. Aufmunternd nickte sie ihm zu. Hatik hob den Becher an die Lippen. In einem Zug leerte er ihn. „Danke, das tat gut.“ Er sah in die Runde, in viele gespannte Gesichter. Während er Zafira das Gefäß zurückgab, begann er zu sprechen. „Mein Name ist Hatik …“ Sofort bemerkte er, wie sich die Gesichtszüge der Anwesenden erhellten. Gespannt lauschten sie seinen Worten.
In Ägypten, das Hatik so glücklich verlassen hatte, suchte Safi bereits seit Stunden nach seinem Freund. Keiner, den er fragte, konnte Auskunft geben. Nefertari versuchte ihn energetisch zu orten – ohne Erfolg. Langsam machte sich Unruhe breit. Als schließlich ein Diener erschien, um Nefertari zu berichten, dass man vor dem Grabmal ein totes Pferd entdeckt hätte, aber weit und breit keinen Reiter, nicht einmal Spuren von ihm, wurde klar, dass sich ein Unglück ereignet haben musste. Ramses ließ daraufhin überall nach Hatik suchen. Der aber blieb spurlos verschwunden. In der Stille des Isis-Tempels versuchte Nefertari, Kontakt zu den Verborgenen aufzubauen. Sie wollte, so schnell es eben ging, die anderen Freunde nach Atla zurückbringen, bevor noch mehr Unglücke auf sie einstürmten. Mit Hilfe ihrer ältesten Tochter Merit-Amun und Safis täuschte sie ihren eigenen Tod vor, der für ihre Umgebung gar nicht so unerwartet kam. In den letzten Monaten der Anspannung hatte sie kaum noch etwas zu sich genommen. Stark abgemagert und mit stumpfem Haar, glich sie einer Todkranken. Den beiden Eingeweihten war es gelungen, die Balsamierer zu bestechen und ihnen die Leiche einer Dienerin unterzuschieben, die am Kindbettfieber gestorben war. Safi hielt Nefertari derweil an einem geheimen Ort, ganz in der Nähe des Grabmals, versteckt. Am Tage der pompösen Grablegung nahm Neri, als Klageweib verkleidet, an ihrer eigenen Beisetzung teil, um mit in die Grabkammer zu gelangen. Nachdem der prunkvolle Sarkophag geschlossen worden war, baten die Atlan Ramses darum, ihre Herrin in das nächste Leben geleiten zu dürfen. Schweren Herzens gab er seine Einwilligung, aber mit dem untrüglichen Gefühl, dass es zu Nefertaris Bestem sei. Dann wurde das Grab versiegelt. Die Eingeschlossenen erwachten sofort zu gigantischer Betriebsamkeit. Nachdem sie in der Dunkelheit Neri hinter den Bergen von Grabbeigaben gefunden hatten, rückten sie mit vereinten Kräften den Deckel vom Sarkophag und hoben die Mumie mitsamt den inneren Särgen heraus. Dann hockten sie sich in den leeren Totenschrein und das qualvolle Warten auf den Erstickungstod begann.
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