Die Magier von Tarronn (2) (German Edition)
verzog bei diesen Erinnerungen das Gesicht und hätte sicher zu weinen begonnen, wenn Imset sie nicht tröstend in den Arm genommen hätte.
Safi und Merit hatten still zugehört. Sie ahnten nicht, wie sehr Neri wirklich in diesen Jahren gelitten hatte. Nur dank ihrer eisernen Disziplin und um ihrer Kinder Willen, ertrug sie das Leben an Ramses’ Seite. Die wahre große und bedingungslose Liebe fand sie erst bei Imset.
„Diese verworrenen Vorstellungen vom Zusammenleben haben die Menschen eindeutig von uns Tarronn übernommen“, sagte Imset bekümmert. „Und wir haben nicht einmal geahnt, dass diese Spezies derart fruchtbar ist. Sie sehen zwar aus wie Tarronn, Atlan, Helion oder Asen, die Genetik hat es aber in sich. Was bei unseren Völkern, die unsterblich sind, normal ist, kann bei den sterblichen Menschen tödliche Folgen haben.“
„Was meinst du damit?“, fragte Safi.
„Nun: Isis ist meine Mutter und zugleich die Mutter meines Vaters. Dämmert es jetzt?“ erwiderte Imset. „Wie viele Pharaonen wählen ihre eigene Tochter zur Frau? Und was kommt dabei heraus? Meist ein Problem mit dem Erbgut, wo sich ein aufgetretener Fehler dauerhaft bei den vielen Nachkommen einnistet und zum Aussterben ganzer Familienverbände führen kann. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe!“
„Aber ihr wart doch nicht das einzige Sternenvolk, das die Erde solcherart beglückt hat.“ Safi hatte dies in den Büchern von Taris gelesen.
„Ach, hör bloß auf!“, stöhnte Imset. „Wir haben wenigstens keine Mischwesen gezeugt, die sich dann selbst überlassen blieben. Die Helion und ein paar andere waren durchaus in der Lage mit den Menschenfrauen Kinder zu haben. Nur wimmelte es bald von seltsamen Kreaturen, die mitunter sogar Menschentiere genannt wurden.
Das war auch der Grund, weshalb Horus Neri und Luna sofort Replikatoren anpasste, die das Erbgut an uns Tarronn angleichen, damit nicht versehentlich neue bedauernswerte Mischwesen in die Welt kommen.“
„Was ist aus diesen Wesen geworden?“, fragte Merit-Amun leise.
„Die meisten von ihnen wurden von den Menschen getötet. Nicht einmal die Dämonen akzeptierten diese Kreaturen, dabei war jede von ihnen ein Nachkomme von Unsterblichen“, erklärte Imset.
Merit schüttelte sich. „Eine grauenhafte Vorstellung. Aber ich erinnere mich durchaus an Texte in den geheimen Kammern der Tempel, in denen davon gesprochen wurde.“
„Und was nicht von allein seltsame Formen annahm, hat Aker genetisch verschlimmbessert“, sagte Imset bitter. „Dabei hat er mit den Helion vor Jahrtausenden die unmöglichsten Wesen geschaffen: Pferdeleiber, aus denen die Oberkörper von Männern wuchsen; Frauen, auf deren Köpfen statt Haaren giftige Vipern waren oder einen Mann mit Stierkopf, um nur einige zu nennen.“
„Hör auf, hör auf!!! So sollte der Abend lieber nicht enden!“, rief Neri und schüttelte sich vor Entsetzen. „Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte diese schrecklichen Gestalten weiterhin für die überreizte Fantasie eines seltsamen Künstlers gehalten.“
„Tut mir leid, wenn ich euch den Abend verdorben habe“, sagte Imset kleinlaut. „Mich regt es nur immer furchtbar auf, wenn sich jemand so am Leben vergreift.“
„Vielleicht ist es sogar besser, wenn wir um diese Dinge wissen, die in der Vergangenheit geschehen sind“, warf Safi Schulter zuckend ein. „Aber reden wir mal von etwas Schönem: Was werden wohl …“ Er kam nicht weiter, weil ein lang gezogener schriller Schrei die Nacht durchdrang.
„Drakos“, hauchte Neri und wurde blass.
Die vier Freunde stürzten ans Fenster und spähten in die Dunkelheit. Imset nickte wissend. „Dann hatte Siri also recht, als sie uns bat, das Drachenland in den nächsten Tagen zu meiden.“
„Hoffentlich gibt es keine Probleme bei den beiden.“ Neri schaute Imset an.
„Wie meinst du das?“
„Nun, Drakos stammt von Tarronn und ist mehrere zehntausend Jahre älter als Siri, die ja von Atla stammt. Wer sagt uns, dass die Paarungsrituale gleich waren oder wenigstens einzelne Gesten nicht eine völlig andere Wirkung verursachen?“ Neri war nach dem Drachenschrei sichtlich nervös geworden.
Imset hob hilflos die Hände. „Niemand. Wir können nur das Beste hoffen und darauf setzen, dass bei den beiden das Denken im Notfall die Oberhand behält. Jedenfalls haben sie sich gründlich energetisch abgeschottet“, fügte er nach kurzer Pause hinzu.
„Da!!!“ Merit-Amun streckte
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