Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
Luthers stammte, jedoch von unbekannten Waffenknechten gehalten wurde. Von Valentin und der Freihöferin war weit und breit nichts zu sehen. Philippa konnte nur hoffen, daß die beiden ins Turmhaus gelaufen waren, um Katharina oder den Schreiber Lupian zu verständigen.
    »Ihr kennt das Spiel bereits, Philippa: Steigt auf den Gaul!« befahl der Eidgraf finster. Er ließ ihren Arm los, zog sich den Stulpenhandschuh aus und klaubte ein paar Kupfermünzen aus seinem Beutel, um die Waffenknechte zu entlohnen. Die Männer steckten das Geld ein, salutierten ergeben und traten dann mit anzüglichem Grinsen zurück. Auf der Brust ihrer Waffenröcke erkannte Philippa das Wappen der Stadt Wittenberg.
    Dieser Schuft von Stadthauptmann, dachte Philippa empört. Er hatte dem Grafen tatsächlich seine Soldaten ausgeliehen, um sie aus dem Haus ihrer Verwandten zu entführen.
    »Warum macht Ihr Euch heute selbst die Hände schmutzig, Wolfger?« rief sie, während sie in den Steigbügel trat. »Ihr hättet es einfacher haben können. Euer Geld lockt sämtliche Ratten der Stadt aus ihren Löchern, die Euch zu Diensten sein wollen!«
    Kein Gefühl sprach aus Wolfgers Zügen, als er sich vom Rücken seines Pferdes zu ihr hinüberbeugte und ihr ins Ohr flüsterte: »Ich habe Euch schon einmal gesagt, daß mich weder der Tod Euer Magd noch die Angst Eures Onkels vor gedungenen Mördern interessiert. Allerdings habe ich etwas dagegen, daß Ihr nicht aufhören wollt, meine Kreise zu stören. Wir reiten zum Schloß, dort werdet Ihr mir erzählen, was Ihr über den entflohenen Magister und seine Verbindungen zu Kaiser Karl wißt!«
    ***
    Der Raum, in den Wolfger sie führen ließ, war kleiner als ihre Kammer im Schwarzen Kloster; darüber vermochten auch die elegante Täfelung der hohen Wände und die roten, mit Goldborten verzierten Polster im Alkoven nicht hinweg zu täuschen. Philippa verschmähte das weiche Polster und ließ sich statt dessen auf einem dreibeinigen Hocker nieder. Feindselig funkelte sie Wolfger und den Wächter an, der ihn begleitete. Sie hatte gewiß nicht vor, mit dem Eidgrafen zusammenzuarbeiten, mochte er anstellen, was er wollte.
    Prüfend ließ der Eidgraf seine Blicke über die spitz zulaufenden Fenster in den Nischen der Kemenate wandern. Als er bemerkte, daß sie alle Gitter trugen, umspielte ein zufriedenes Lächeln seine Lippen. »Glaubt nicht, daß die Kurfürstin Euch diesmal zur Seite stehen wird«, sagte er. »Die edle Dame ist erkrankt und hat momentan gewiß andere Sorgen, als sich um eine aufsässige sächsische Landadelige zu kümmern, die sich immer tiefer in eine Verschwörung gegen den Fürstenbund verstricken läßt!«
    »Dies ist eine infame Verleumdung!« spie Philippa dem Grafen entgegen. »Sobald Kurfürst Johann Friedrich und mein Onkel zurück sind, werdet Ihr es bereuen, mich gewaltsam entführt zu haben.«
    »An Eurer Stelle würde ich nicht damit rechnen, Jungfer.« Wolfger gab dem Wächter einen Wink, seinen Kandelaber abzustellen und sich zu entfernen. Dann klopfte er sich ungerührt den Schmutz von seinem Waffenrock. »Der Kurfürst ist bereits zur zwölften Stunde in Wittenberg eingetroffen, doch er hat sich in seine Gemächer zurückgezogen und möchte nicht gestört werden. Was Euren ehrenwerten Onkel angeht, so kommt sein Wagenzug nur langsam voran. Ich hörte, die Krankheit habe Doktor Luther dermaßen geschwächt, daß er in Altenburg eine Herberge beziehen und nach dem nächsten Steinschneider schicken mußte.«
    Philippa erschrak bis in die Knochen. Katharina hatte sie zwar davon in Kenntnis gesetzt, wie es um ihren Gemahl bestellt war, doch sie hatte nicht damit gerechnet, daß dessen Zustand derart ernst war. Wolfger hingegen hatte die letzten Wochen im kursächsischen Lager zugebracht. Er war über Luthers Leiden im Bilde und benutzte die Ohnmacht seiner Familie, um Philippa unter Druck zu setzen.
    »Meine Tante wird die Stadt verlassen, um ihrem Ehemann in Altenburg beizustehen, habe ich recht?« flüsterte sie mit tonloser Stimme. »Wieder einmal habt Ihr gespielt und gewonnen, Wolfger.«
    »Dann werdet Ihr Euch also nicht länger weigern, mit mir zusammenzuarbeiten?«
    Philippa seufzte. Benommen lauschte sie auf die Geräusche vor der Tür – auf das Klirren der Waffen, das Schlagen von Deckeln schwerer Truhen und das Husten und Pfeifen der Diener und Dienerinnen, die durch die Gänge der düsteren kurfürstlichen Residenz eilten.
    »Ich war nicht in der Stadt, als

Weitere Kostenlose Bücher