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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Hof des französischen Königs! Nun, zum Teil stimmte das, doch die Plakataffäre hatte das Klima bei Hof und im Land verändert, die Parlamente hatten an Einfluss gewonnen, und die Partei
um Franz’ Sohn Heinrich erstarkte mit jedem Jahr, das der König älter wurde.
    »Trinkt noch einen Schluck, Armido. Arnauds Apfelschnaps ist unübertroffen.« Sidrac füllte alle Becher auf. »Aleyd ist bei uns.«
    Am liebsten wäre er aufgesprungen und sofort zu ihr geeilt. »Wo?«
    »Wir leben im Hochgebirge, nördlich von hier. Morgen gehe ich zurück, dann könnt Ihr mich begleiten. Allein hättet Ihr uns nie gefunden. Es muss ein Wink des Schicksals gewesen sein, dass Ihr ausgerechnet an Arnauds Tür geklopft habt.«
    Der Wirt schob einen bereits vorbereiteten Brotlaib in den Ofen. »Die Wege des Herrn sind unergründlich. Armidos Pferd lahmt. Bevor ihr morgen aufbrecht, solltest du es dir ansehen.«
    Der Arzt erhob sich und griff nach seiner Tasche. »Das mache ich jetzt gleich. Wollt Ihr mich begleiten, Armido?«
    Die beiden Männer gingen mit einer Laterne in den Stall, wo Sidrac den Braunen beruhigend streichelte, bevor er dessen Hinterhuf anhob. »Das ist nicht schlimm. Es steckt nichts mehr drin. Ich gebe einen Brei darauf, der den Schmutz herauszieht, und umwickle den Huf heute Nacht. Da Ihr morgen auch nicht aufsitzt, wird der Huf in zwei Tagen wie neu sein.«
    Armido strich über die weichen Nüstern des Reitpferdes, das ihn sicher durch halb Frankreich getragen hatte. »Gibt es dort oben, wo Ihr lebt, einen barbe ?«
    »Warum fragt Ihr?«
    »Ich will ihn bitten, mich aufzunehmen. Ich fühle mich bereit, den ›Armen von Lyon‹ beizutreten.«
    Mit einem unergründlichen Ausdruck setzte Sidrac den Huf ab. »Warum fühlt Ihr Euch bereit, einen solch wichtigen
Schritt zu tun? Ist es wegen Aleyd? Dann ist der Grund nicht ausreichend.«
    Der warme Pferdeatem blies ihm ins Gesicht, während Armido an einem Pfosten lehnte. »Nein. Nicht wegen, sondern trotz meiner Liebe zu Aleyd. Das macht es viel schwerer für mich.«
    Anerkennung und Neugier flackerten in den dunklen Augen des Arztes auf. »Erklärt Euch näher.«
    Nach kurzem Zögern sagte Armido: »Ich bin nicht erst in Frankreich zum Zweifler geworden. Es geht tiefer. Bereits als Junge habe ich alles hinterfragt. Versteht mich nicht falsch, ich glaube, dass es einen Gott gibt, aber wenn das ein so herrliches Wesen ist, dann kann es nicht wollen, dass wir ihm mit blindem Gehorsam dienen. Uns wurde ein Verstand gegeben. Wozu, wenn wir ihn nicht benutzen dürfen? Ich tue etwas und bin dafür verantwortlich. Niemand kann mir meine Schuld nehmen. Ich muss mich vor mir selbst und meinem Schöpfer dafür verantworten. Der Beichtstuhl war eine Sache, die mir aufstieß, und die Priester.« Er machte eine Pause. »Wollt Ihr das wirklich hören?«
    »Ich bitte Euch sogar darum«, sagte Sidrac ernst.
    »Als meine Eltern durch einen Unfall starben, zweifelte ich das erste Mal an der Kirche. Ich ging zum Priester in San Domenico und fragte, warum Gott ein solches Unglück zulasse. Er schlug mir zur Strafe für meinen Zweifel an der unfehlbaren Göttlichkeit auf die Hände und hieß mich beten. Einige Jahre später fiel mein Bruder Pietro vom Gerüst und wurde zum Krüppel. Er ist der beste Mensch, den ich kenne, und ich kann nicht glauben, dass dieser Sturz eine Strafe ist, wie der Priester sagte.«
    Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass Armido über diese Dinge sprach. Sidrac war ein Fremder, vielleicht nahm ihm das seine Befangenheit, die er dem kämpferischen Jules
gegenüber gehabt hätte. Das Pferd schnaubte. Geschickt wickelte Sidrac einen Leinenstreifen stramm um den Huf.
    »Wo habt Ihr das gelernt?«
    Der Arzt lachte. »Ob Mensch oder Tier, spielt letztlich keine Rolle. Wir alle sind Gottes Kreaturen und wollen Linderung für unsere Schmerzen. Wenn ich meinen Patienten verständlich mache, dass ich nur ihr Bestes will, halten sie still, meistens jedenfalls. Studiert habe ich in Montpellier.«
    Armido klopfte dem Pferd die Flanke. »Die medizinische Fakultät von Montpellier hat einen hervorragenden Ruf. Was tut jemand mit einer solchen Ausbildung im Gebirge?«
    Sidrac setzte den Huf ab. »Zuerst Ihr.«
    »Nun, Pietro hat die Werkstatt geleitet, und ich habe für verschiedene Meister gearbeitet, zuletzt in Rom, wo ich mit Brüdern der ›Armen‹ bekannt wurde. Sie haben die Saat gesät, und in Fontainebleau traf ich auf Jules und den Kreis um Marot. Wir haben viel

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